Digitale Kunst

Mit der Erfindung neuer Gerätschaften, den neuen Medien, entstehen auch neue Kunstrichtungen. Als die ersten elektronischen Maschinen für Automatisierungen sorgten, entstanden auch die ersten künstlerischen Experimente mit ihnen. Anfänglich beschäftigten sich Musiker und Texter damit, später wurden aus diesen Experimenten Computergrafiken. Auch wenn Anfangs nicht von Kunst gesprochen wurde, entwickelte sich dennoch eine neue Kunstrichtung. Bei den computergenerierten Grafiken ging es stets darum, den Rechner so zu programmieren, dass er ästhetische Objekte entstehen lässt, ohne das weitere Zutun des Menschen. Es ging darum, bestimmte Objekte automatisch entstehen zu lassen (vgl. Klütsch 2007: 17). Da es keine, beziehungsweise nicht nur eine Definition für Kunst gibt, lässt sich schwer sagen, wann etwas als Kunst bezeichnet werden kann und warum, im Fall der Computergrafiken, erst von Experimenten, Fehlern oder Zeichengebilden und später dann von Kunstwerken gesprochen wurde. Dafür müsste hier erst eine Definition für Kunst aufgestellt werden, was an dieser Stelle zu umfangreich wäre.

Die Computergrafiken waren in jedem Fall eine erste Kunstentwicklung, die sich mit den digitalen Medien beschäftigte. So hat sich auch nach Erfindung und Verbreitung des world wide web eine Netz-/Internetkunst entwickelt. „Netzkunst ist eine der Kunstformen, die sich – wie Fotografie, Film und Video – in der Auseinandersetzung mit einem technischen Medium und seinen medialen Eigenheiten entwickelt hat“ (Baumgärtel 1999: 6). Es geht dabei nicht darum, Kunstwerke im Internet zu zeigen und/oder über das Internet zu vertreiben, sondern sich mit den Eigenschaften dieses Netzwerkes auseinander zu setzen. Nicht nur Programmierer und Hacker kennen sich heutzutage mit dem Internet aus, sondern auch Künstler haben mittlerweile dieses Gebiet für sich entdeckt und auf ihre Art und Weise für ihre Kunstzwecke erforscht (vgl. ebd.: 6). Eine ähnliche Entstehung, wie bei den ersten Computergrafiken, ist bei dem Kunstwerk „shredder 1.0“ von Mark Napier zu erkennen (http://www.potatloand.org). Der Künstler hat einen Algorithmus verfasst und ein Script geschrieben, welches Quellcodes von ursprünglichen Websites verändert und die daraus neu entstandenen Websites zeigt (vgl. Reena/Mark/Grosenick 2006: 70). Wie auch bei den Computergrafiken ging es hier darum, pseudozufällige Algorithmen zu erstellen. Teilweise sind die alten Internetseiten nach dem so genannten Schreddern noch zu erkennen, im Allgemeinen ähneln sie aber „{…} eher den nicht gegenständlichen Gemälden von Hans Hoffmann oder Gerhard Richter als den glatten Interfaces der Ursprungs Websites {…} (ebd.: 70).


Das Internet beziehungsweise die digitalen Medien verändern ursprüngliche Kunstwerke komplett. Ein analog fotografiertes und entwickeltes Bild sieht anschließend eingescannt, digital am Bildschirm ganz anders aus. Diese Erfahrung machte der Maler Mark Napier auch. „Als ich meine Gemälde einscannte, veränderten sie ihr Wesen vollkommen und ich konnte sie so lange mit Photoshop bearbeiten, bis von dem ursprünglichen Bild nichts mehr übrig war, wenn ich es auf meiner Site veröffentlichte“ (Baumgärtel 1999: 13). Viele der späteren Netzkünstler zeigten anfangs, ihre „analoge“ Kunst, digital im Internet, bevor sie sich mit dem Medium beschäftigten (vgl. ebd.: 13). Bei der jetzigen Netzkunst geht es um Werke, die sich mit dem Web auseinander setzen und es nicht lediglich als Transportmedium nutzen. Die Technik, mit der die Künstler arbeiten, wird thematisiert (vgl. ebd,: 14). Häufig geht es den Künstlern darum, zu zeigen, was man mit den digitalen Medien gerade nicht machen kann, wo ihre Mängel liegen. Genau wie dies auch auch Nam June Paik in seinen Werken der damaligen Videokunst machte. Netzkünstler spielen mit den Eigenschaften des Internet, zeigen was es kann und eben auch das was es nicht kann (vgl. ebd.: 14). Anders als beispielsweise in der Malerei. In der Malerei wird zwar auch wert auf bestimmtes Material wie Papier gelegt, es geht jedoch nicht vorrangig darum, die Eigenschaften des Papiers darzustellen oder dessen Fehler zu zeigen, sondern es als Träger für seine Kunst zu verwenden.


Die Documenta X im Jahr 1997 hat unter Anderem die Netzkunst publik gemacht, wobei zu der Zeit die Videokunst noch im Vordergrund stand und als ein Vorreiter der Netzkunst genannt werden kann. Bei der digitalen Kunst im allgemeinen gibt es kein Material im klassischen Sinne, welches ausgestellt wird oder angefasst werden kann. Die digitale Kunst scheint deswegen weniger greifbar zu sein und immer technische Geheimnisse zu enthalten. Wie ist dieses Kunstwerk entstanden? Wie ist es technisch möglich, dass jenes Kunstwerk so funktioniert? Es handelt sich nicht immer um nachvollziehbare Entstehungsprozesse. Auch das Vernichten, Verändern oder Entfernen dieser Werke scheint anders, neu zu sein. Malereien oder Bücher können natürlich auch vernichtet werden, doch die Vorstellung, mit nur einem Klick ein digitales Kunstwerk zu löschen, scheint einfacher zu sein. Die Kunst, die im Internet erscheint und mit dem world wide web entsteht, wird in einer Art imaginärem Museum gezeigt, bei dem man nie weiß, wie lange es noch bestehen wird oder ob es irgendwann einfach gelöscht oder geschlossen wird (ebd.: 11). Wenn es das Internet nicht mehr geben sollte oder eine andere Art der Vernetzung entstehen wird, wird es einige der jetzigen Kunstwerke in dieser Form nicht mehr geben (können). Die digitalen Medien können zwar archiviert werden, sie funktionieren teilweise aber nur mit dem Internet, da sie die Funktionen des world wide web nutzen. Für Netart ist das Internet das wichtigstes Medium, es funktioniert nur mit ihm. Diese Kunst beschäftigt sich intensiv mit dem genutzten Medium und dessen Fehlern. „Netzkunst spielt mit den Protokollen des Internet, mit seinen technischen Eigenheiten“ (Baumgärtel 2001: 14).


Bei vielen der digitalen Netz-Kunstwerken handelt es sich um eine Beschäftigung und um eine Darstellung mit und in einer virtuelle Welt, einen translokalen Raum. Das Web löst, wie man heute weiß, Zeit und Raum auf. Die digitalen Medien haben die gesellschaftlichen Strukturen verändert. Das Internet verbreitet Informationen wesentlich schneller als früher beispielsweise durch Briefe. McLuhan bezeichnet diese Veränderung von Raum und Zeit als „Global Village“ (Batels/Böhler/Hötschl/Reuß 1997: 112). Eine Reise, ein Umzug, weg von seinem Heimatort scheint gefühlt nicht mehr so weit weg zu sein, da man jeder Zeit von fast jedem Ort über das Internet kommunizieren kann. Das world wide web verkürzt also die Wege. Künstlerisch hat dies Wolfgang Staehle bei der Ausstellung im ZKM 1999 gezeigt (http://www.thing.net/empire.html). Er installierte eine Digitalkamera in dem Büro von „The Thing“, mit Blick auf das Empire State Building. Alle paar Sekunden wurden Aufnahmen vom Gebäude gemacht und via Internet an das ZKM gesendet, wo diese Bilder auf einer Leinwand gezeigt wurden. In Anlehnung an das Warhol Werk „Empire (1964)“, sollte das Werk „Empire 24/7“ von Staehle, „{…} die zeitliche Komprimierung der Internetkommunikation reflektieren“ (Reena/Mark/Grosenick 2006: 90). Der Künstler wollte damit zeigen, „{…} jeder mit Internetzugang überall und zu jeder Zeit selbst die banalsten Alltagsszenen sehen kann – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche (ebd.: 90). Seine großen, projizierten Aufnahmen fungieren dabei als lebendige Landschaftsgemälde (vgl. ebd.: 90). Auch die Anschläge auf das World Trade Center zeichnete Staehle so auf, so dass sie kurze Zeit als eine Art „{…} Historiengemälde des Internetzeitalters {galt} {…}“ (ebd.: 90).


Das Internet ist zwar ein sehr modernes Medium, trotzdem hat sich bereits Malewitsch mit dem Thema Raum und Zeit beschäftigt. Er ignorierte in seinem berühmtesten Werk „Das schwarze Quadrat“ nah und fern, rechts und links und bezeichnete dies als „suprematistischen Raum“ (vgl. Baumgärtel 1999: 12). Das „Schwarze Quadrat“ ist eine Malerei, die abgeschlossen und präsentiert wurde, ganz im Gegensatz zu Arbeiten die digital entstehen. Eine wichtige Eigenschaft bei den Werken mit dem Computer ist, dass diese Arbeit nie vollständig abgeschlossen ist, beziehungsweise immer weitergeführt werden kann (vgl. Baumgärtel 2001: 6). „Oft gibt es eine Version 0.5, eine Version 0.6, schließlich eine Version 0.9, oft auch noch Version 0.91 {…} und so weiter“ (ebd.: 6). Nach der Veröffentlichung der bis dato fertigen Version, wird diese dann gegebenenfalls erneut angepasst, eine Version 2.0 entsteht (vgl. ebd.: 6). Bei digitaler Überarbeitung geht es dabei nicht um eine Fortsetzung, sondern um eine Veränderung der Version 1.0.. Deutlich wird das an dem heutigen Namen des Internet: „web 2.0.“.


Das Web 2.0 ist eine wichtige Plattform zum Kommunizieren, für den Handeln und aber auch für Kunst und Kultur. Bei der digitalen Kunst gibt es verschiedenste Entstehungsarten. Viele Kunstwerke kommen beispielsweise aus der Spiele-Industrie, andere sind wiederum mit Text- oder BIldverarbeitungsprogrammen entstanden (vgl. ebd.: 7). Wie der Titel des Textes schon verrät, geht es nicht unbedingt nur um Internetkunst, sondern um Kunst, die mit dem Computer, den digitalen Medien entsteht und die sich mit der damit verbundenen Kritik auseinander setzt (vgl. ebd.: 7). Fast alle Künstler wollen mit ihren Projekten und mit Hilfe ihrer Werke zeigen, dass sie sich nicht von der Technik, dem Computer oder dem Internet, die unsere Gesellschaft so sehr verändern, einschüchtern oder terrorisieren lassen (ebd.: 23). Die verwendete Technik muss dabei nicht unbedingt eine Neue sein. Häufig sind Elemente aus alten Computerspielen zu finden oder Töne von veralteten Geräten, wie beispielsweise dem Internet-Modem oder Ähnlichem (vgl. ebd.: 8).


Mit der Einführung der digitalen Medien wurde es auf einmal einfacher, digitale Produkte zu erstellen und es ermöglichte auch Laien, diese Gerätschaften ohne großes Vorwissen zu bedienen und die damit entstandenen Produktionen, die Kunst, damit weltweit im Internet zu veröffentlichen (vgl. ebd.: 8). Mit der Zeit sank die Angst vor der Technik und die Hemmschwelle, digitale Werke zu erstellen. So beschäftigten sich auch Technik-Laien mit den neuen Gerätschaften und die Netzkunst, beziehungsweise die digitale Kunst spricht ganz neue Zielgruppen an. Die Kunst, die im Internet stattfindet, die digital entsteht, spricht auch die Zielgruppe an, die sich für das Internet und das Medium Computer interessiert, nicht aber unbedingt für zeitgenössische Kunst. Netzkunst kann wiederum Kunstinteressierte an das technische Medium Computer und das world wide web heranführen. Neue Zielgruppen werden mit dieser Kunstrichtung angesprochen (vgl. ebd.: 14) „Dass Kunst sich in die Technologien hineingewagt hatte, war ein Paradigmawechsel, der die Position der Kunst verändert hat“ (ebd.: 19).



Digitale Kunst


http://wwwwwwwww.jodi.org (Tipp: Quelltext anzeigen lassen)


http://www.potatoland.org


http://www.ubermorgen.com



Literatur


Batels/Böhler/Hötschl/Reuß (1997): Medien Verstehe. Der McLuhan Reader. Mannheim: Bollmann Verlag.


Reena/Mark/Grosenick (2006): New Media Art. Köln: Taschen GmbH.


Baumgärtel (1999): net.art. Nürnberg: Verlag für moderne Kunst Nürnberg.


Baumgärtel (2001): net.art 2.0. Nürnberg: Verlag für moderne Kunst Nürnberg.


Klütsch (2007): Computer Grafik. Wien: Springer Verlag.


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