Algorithmen

Das Internet ist ein Netzwerk der unbegrenzten Möglichkeiten.
Weltweit ermöglicht es seinen Nutzern den Austausch von Daten, die Kommunikation per E-mail, SMS, Telefon und Social Networks wie beispielsweise Facebook oder Twitter. Die Nutzung des World Wide Web bietet diverse Unterhaltungsmöglichkeiten, angefangen bei Livestreams bis hin zu TV-Serien und E- Books.
In den letzten Jahren hat sich eine neue Funktion in die unendlichen Serviceleistungen des Internet geschlichen. Es ist nicht mehr nur möglich zu suchen und zu finden – das Internet hat gelernt, Vorschläge und Empfehlungen zu machen.
Ein Beispiel für diese Funktion bildet die Musikplattform „last.fm“.
Das Internetradio hat die Fähigkeit, seinen Nutzern auf Grund ihrer Hörgewohnheiten neue Musik, Konzerte und sogar andere User mit ähnlichem Musikgeschmack empfehlen zu können.
Dies geschieht auf der Basis von automatisch laufenden Algorithmen, die im Hintergrund ständig die Aktivität der User aufzeichnen. Dabei werden Qualifikationsdaten gesammelt und in Listen eingeordnet, auf die jeder Zeit zugegriffen werden kann.
Somit wird jede Aktivität der User zu einem messbaren Ereignis, jeder Mausklick kann aufgezeichnet und bewertet werden.
Durch diese Technik findet Messung nicht mehr nachträglich als Beobachtung durch quantifizierte Verfahren statt, sondern ist ein integriertes Ereignis.
Die Technik der Algorithmen basiert nicht nur auf einer Quantifizierung, sondern auch auf der qualitativen Auswahl der wichtigen Daten, die überhaupt gemessen werden sollen. Michelle Callon beschreibt dies mit dem Begriff der „Qualkulation“ . Mit der Berechnung der Zahlen entsteht ein Möglichkeitshorizont für Anschlusspraktiken. Der Forscher schafft messtechnisch verwaltbare Beobachtungs- und Vergleichsräume, innerhalb derer mit Hilfe von Maßstäben, Werten und Grenzen eine Vergleichbarkeit erzeugt wird. Auf dieser Grundlage entstehen dann neue Möglichkeiten des Handelns.
Mit Hilfe von Veröffentlichungen der gesammelten und ausgewerteten Zahlenvergleiche in den Massenmedien wird ein weiterer, öffentlicherer Vergleichsraum erzeugt.
Diese Vergleichräume entstehen auf mehreren Ebenen. Es bilden sich Bezugsmöglichkeiten für Involvierte; ebenso Beobachtungsmöglichkeiten für nicht- Involvierte, Beispiel Sonntagsfrage.
In der Konsequenz heißt das, dass sowohl auf der Sender-, als auch auf der Publikumsseite, eine ständige Selbstbeobachtung, sowie Selbst-, und Fremdverordnung, stattfindet. Darunter fällt beispielsweise die automatische Berechnung zweier übereinstimmender Musikprofile auf der Plattform „last.fm“, was zu einer automatischen Selbst-, bzw. Fremdverordnung wird.
In neusten Forschungsprojekten werden die Nutzer und Anbieter solcher Internetplattformen, wie beispielsweise „last.fm“, untersucht. Im Fokus dieser Forschung liegt die Untersuchung der Vorstellungen, die die Anbieter der Plattform von ihren Nutzern haben. Weiterhin, welche Algorithmen die Anbieter auf der Basis dieser Vorstellungen erstellen, und welchen eine primäre Bedeutung zugeteilt wird.
Auf Seite der Nutzer geht es um die Frage der Relevanz der Angebote auf der Plattform, und wie diese genutzt werden. Das Projekt untersucht unter anderem auch, ob und wie weit der User erkennt, dass eine Seite durch diese Algorithmen manipuliert wird.
Mit der neuen Technik entstehen auf dem Gebiet der Forschung neue Beobachtungsräume.
Die Forschung findet nicht mehr dort statt, wo sich die eigentliche Musik abspielt und entwickelt, sondern dort, wo die Untersuchungsmaschen hergestellt werden. Die Forschung rückt also von der eigentlichen Musik weiter ab.
Eine These besagt, dass die neuen Beobachtungsräume neue Kollektivierungseffekte erzeugen. Durch diese Art von Rechnungstechniken entsteht eine neue Gesellschaft, die sich außerhalb ihrer vorherigen Räume bewegt.
Der Musikszene ist es aufgrund der ständig quantifizierenden Algorithmen möglich, sich nicht mehr nur direkt auf den Konzerten ihrer Lieblingsband mit Gleichgesinnten über neue Musik auszutauschen. Ungefragt werden die User von der Plattform aufgenommen, kategorisiert und ihnen dadurch mit Empfehlungen für Musik, neuen Freunden und Aktivitäten, die Möglichkeiten einer neuen Netzwerk-Gesellschaft geboten.

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