Cyberwar

...und andere Aspekte der Ver-/Entnetzung

Cyberwar:
Cyber- (griech. Präfix, „Steuerung“, ursprüngl.: Steuerkunst der Seefahrer)
-war (engl.: Krieg)
siehe auch: Cyberspace, Kybernetik


In der letzten Zeit, insbesondere seit den ersten Veröffentlichungen der Wikileaksdokumente, sind - unter anderem - folgende Berichterstattungen zu "Cyberwar"im Internet zu finden:

"Portal der Wirtschaftswoche"
Im Dezember 2010 wird hier getitelt: "Wikileaks ist erst der Anfang" Deutschland ist nach Auffassung der Autoren sehr schlecht gegen Attacken aus der Cyberwelt geschützt. Cyberspionage sei erst der Anfang. Wasserkraftwerke, Krankenhäuser, Atomkraftwerke, die Börse -
keine dieser Institutionen sei in der vernetzten Welt gegen Angriffe ausreichend geschützt. Online-Kriminalität werde vom CYBERWAR abgelöst.

"Netz als Schlachtfeld"
In der Süddeutschen Zeitung heißt es zu dieser Überschrift in einem Kommentar: "Die NATO erwägt in ihrem neuen strategischen Konzept darauf zu reagieren, dass sich der Krieg auf die virtuelle Welt ausbreitet. Cyber-Attacken könnten in Zukunft den Bündnisfall auslösen. Die US-Streitkräfte haben ein Cyber-Command aufgebaut und auch das deutsche Militär rüstet sich für den Ernstfall." (2010)

Zu dem Stichwort Cyberwar finden sich Begriffe wie: Cyber-Security, Stuxnet ("Sabotagesoftware"), digitaler Erstschlag, elektronischer Widerstand, Cyber-Warriors u.v.m.
Begriffe aus der "konventionellen Kriegsführung" werden auf die Cyberwelt übertragen, vielfach werden Anglizismen verwendet und technische Begriffe mit eingestreut.

Das macht den Begriff des "Digitalen Krieges" nicht einfacher händelbar.
Schon die Diskussion um den Krieg in Afghanistan zeigt, wie schwierig es ist den Begriff "Krieg" einheitlich zu verwenden. Lange Zeit hat es gedauert, bis deutsche Politiker den Einsatz in Afghanistan als Krieg bezeichnet haben. Zuvor war von einem "Einsatz im Frieden" die Rede.

Aus dieser und anderen Diskussionen ging der Begriff des "Neuen Krieges" hervor. Die Konflikte im "Neuen Krieg" sind "asymmetrisch", da zwischen den Kriegsparteien ein großes Ungleichgewicht der Kräfte herrscht. Guerillakräfte kämpfen gegen Regierungen und Militärs. Dazu gehört auch, dass "Neue Kriege" nicht offiziell erklärt und nicht auf dem Schlachtfeld entschieden werden. Im Vordergrund steht die ökonomische Situation der Kriegführenden.

Wann ist denn dann wirklich KRIEG? Laut Bundeszentrale für politische Bildung bezeichnet Krieg

"einen organisierten, mit Waffen gewaltsam ausgetragenen Konflikt zwischen Staaten bzw. zwischen sozialen Gruppen der Bevölkerung eines Staates (Bürger-K.)." Die Ursachen reichen von ideologischen bis ökonomischen Beweggründen.
Völkerrechtlich haben die Unterzeichnerstaaten der Haager Landkriegsordnung und der Genfer Konventionen sich verpflichtet, im Kriegsfall Mindestregeln (z. B. Ultimatum, Kriegserklärung) und Mindestrechte (hinsichtlich der Verwundeten, der Kriegs-Gefangenen, der Zivilbevölkerung) zu respektieren. Individuen können nach dieser Definition keinen Krieg führen. Für einen Krieg werden Kriegsparteien benötigt. Ein Krieg ist somit ein "Ausnahmefall". Das Morden, Berauben oder ein Angriff anderer Menschen durch Individuen gilt als Verbrechen, nicht als Krieg.

Der "Neue neue Krieg"
Sandro Gaycken, Technik-, Sicherheitsforscher und Philosoph an der neuen Universität Berlin, beschäftigt sich mit diesem Krieg in seinem neuen Buch "Cyberwar - das Internet als Kriegsschauplatz". Darin definiert er Cyberwar wie folgt:

"Maßnahmen, die Netzwerke und digitale Kultur für militärische Zwecke nutzen wollen, zentral aber Rechner als Angriffsziel verstehen."
Gaycken bezieht sich auf militärische Ziele. Die Ziele der Hackerangriffe richten sich aber zunehmend auf zivile Ziele. Ist die Definition "Krieg" dann angebracht? Wie ist der Krieg völkerrechtlich zu fassen?
In einem Interview mit dem SWR3 gibt Gaycken zu bedenken, dass es sehr schwierig ist den/die Urheber/in eines Virus oder Hackangriffes zu bestimmen. Ob dieser nun aus militärischer, oder individueller Feder entsprungen ist, muss in jedem Fall geprüft werden. Und die Rückverfolgung ist schwierig. Die Leute, die militärisch hacken, sind mit der besten Technologie ausgestattet, die sie vor Sanktionen schützt. Zudem haben sie eine Lobby. Die anderen agieren im Verborgenen. Gaycken gibt aber auch zu bedenken, dass durch Anonymisierung der Angriffe das Abschreckungspotenzial abnimmt.

Laut Martin Warnke, Hochschullehrer am Institut für Kultur und Ästhetik digitaler Medien an der Leuphana Universität Lüneburg, ist der Kampf um die Netzneutralität auch schon ein täglicher Kampf. Schließlich sind youtube Seiten mit bestimmten Inhalten in Deutschland nicht einsehbar (es sein denn, man benutzt einen der weltweiten Server im Netz, die Zugang verschaffen). In China werden große Teile des Netzes zensiert. Im Großen und Ganzen haben wir in Deutschland aber alle den gleichen Zugang zu den gleichen Seiten. Diese Neutralität war mit Beginn des Internets nicht gegeben. Die Telekommunikationsanbieter wollten das Internet betreiben. Das Netz sollte „abrechnungsfähig sein“. Zum Glück, so Warnke, setzte sich die Heterogenität der Betreibenden durch.

Welche Eigenschaften hat dieses Netz und ist es zerstörbar?
Nach Warnke gibt es unterschiedliche Qualitäten von Netzen, die wiederum auf die quantitativen Eigenschaften schließen lassen. Das Internet sei, als Produkt des US-Militärs, zunächst einmal sehr robust.

Das Besondere am InterNETZ, ist, dass es skalenfrei ist. Weitere damit verbundene Attribute sind: „enorme Wachstumsmöglichkeit“ und „Schlichtheit der Regeln, mit denen sich ihr Wachsen beschreiben lässt“.
Ein Netz ist skalenfrei, wenn es ohne eine charakteristische Skala auskommt. Das Internet hat sehr viele Knoten mit wenigen Links und ganz wenige Links mit vielen Knoten. Es ist damit kein mittlerer Vernetzungsgrad zu ermitteln. Die sehr vernetzten Knoten erlauben es den Informationen, schneller weiter zu springen. Während Warnke auf Routerebene einen theoretischen Internetdurchmesser von etwas 10 Knoten ermittelt, beträgt der von ihm ermittelte Durchschnitt des Web ca. 19 Knoten. Das Web hat nach seiner Ansicht demnach "seine eigenen Kontinente ausgebildet". Die Komplexität werde somit nicht von unten nach oben vererbt, sondern bilde sich neu aus. Wenn skalenfreie Netze zufällig angegriffen werden, so wird sich der Schaden fast ausschließlich auf die unbedeutenden Knoten auswirken. Das skalenfreie Netzwerk zerfalle erst, wenn es vollständig zerstört würde. Werden allerdings die wichtigen und stark verlinkten Knoten getroffen, so zerfällt das Netzwerk. Ohne die Kontrolle über die Zentralknoten, so Warnke, lässt sich ein Land nicht vom Internet abkoppeln. Was aber, wenn diese Zentralknoten angegriffen werden?
Das schnelle Wachstum der skalenfreien Netze lässt sich dadurch erklären, dass sich "Neuankömmlinge" mit hoher Wahrscheinlichkeit an den sehr beliebten Knoten andocken. Es gäbe so eine Art "Lieblingskontakte", die sehr frequentiert sind und damit gut zurecht kommen.
Das Internet hat damit eine Eigendynamik entwickelt. Diese Dynamik machen sich soziale Netzwerke und andere Firmen zu eigen, indem sie uns auffordern, uns zu vernetzen. (Theorien des Internet 2011)

Gaycken stellt als Möglichkeit der Sicherung, des Widerstands, die "Entnetzung" zur Diskussion: Entnetzung bedeutet für ihn: Zerteilung der Netze in viele kleine Segmente sowie Verkleinerung der einzelnen Funktionen. Es werde für "den Angreifer" zu teuer, auf alle Netze zu zugreifen. Die Neigung zu Programmfehlern, die Zugangsmöglichkeiten für Hacker beinhalten, würden geringer.



Quellen:

Warnke, Martin: Theorien des Internet zur Einführung. Hamburg 2011.

Bundeszentrale für politische Bildung
http://www.bpb.de/themen/GMQL0X,0,0,Das_ver%E4nderte_Gesicht_innerstaatlicher_Konflikte%3A_
Neue_Kriege_Gewalt%F6konomien_und_Terrorismus_.htm. Stand: 27.01.2011.

Sandro Gaycken. SWR2 Manuskript.
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/buchkritik/-/id=7115264/property=download/nid=658730/
1wgwlci/swr2-die-buchkritik-20101213.pdf. Stand: 27.01.2011.

Süddeutsche Zeitung Online
http://www.sueddeutsche.de/digital/cyberwar-das-netz-als-schlachtfeld-1.1007770
Stand: 31. Januar 2011.

Wirtschaftswoche Online

http://www.wiwo.de/technik-wissen/wikileaks-ist-erst-der-anfang-449150/3/.
Stand: 27. Januar 2011.

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