Deterritoriale Vergemeinschaftungen

Dadurch, dass Sendegebiete des Rundfunks und Verbreitungsgebiete von Zeitungen bis in die 1970er Jahre hinein fast ausschließlich national waren, galt und gilt für viele Menschen die Nation bis heute als die zentrale translokale, unter anderem durch Medien vermittelte Vergemeinschaftungsform. Mit der Globalisierung der Medienkommunikation, und hier vor allem der Entstehung des Internets, ist die Nation aber nicht mehr der alleinige Bezugspunkt der Identitätskonstruktion (vgl. Hepp 2008: 10). Denn Kommunikationsbeziehungen sind heutzutage nicht mehr auf das Lokale oder die Nation begrenzt, sondern können über große Distanzen hinweg bestehen. Dadurch gewinnen Vergemeinschaftungen, die keinen territorialen Bezug haben, sondern sich als translokales Netzwerk konstituieren, sogenannte deterritoriale Vergemeinschaftungen, an Relevanz für die Identitätsartikulation der Menschen. Der Begriff der deterritorialen Vergemeinschaftung bezeichnet ein Netzwerk subjektiv gefühlter Zusammengehörigkeit und eines geteilten Sinnhorizonts über verschiedene Territorien hinweg (vgl. Hepp/ Löffelholz 2001: 282). Folglich stellt nicht die Nation den Referenzpunkt dieser Gemeinschaftsform dar, womit die Beschäftigung mit diesen Netzwerken in das Feld der transkulturellen Medien- und Kommunikationsforschung einzuordnen ist. Im Gegensatz zur interkulturellen Kommunikation, unter der die Kommunikation zwischen Menschen oder Menschengruppen unterschiedlicher Kulturen zu verstehen ist – die also die Nationalkulturen zum Bezugspunkt hat – fokussiert transkulturelle Kommunikationsforschung solche Kommunikationsprozesse, die in einem zunehmend globalen Kommunikationsnetzwerk über verschiedene Kulturen hinweg erfolgen (vgl. Hepp/ Krotz/ Winter 2005: 10f.). Das verweist darauf, dass mit der Globalisierung der Medienkommunikation Kommunikationsräume entstanden sind, die über Staatsgrenzen hinaus existieren und jenseits von Nationalkulturen betrachtet werden.
Beispiele für solche deterritorialen Vergemeinschaftungen sind Jugend- Freizeit- oder Populärkulturen, religiöse Vergemeinschaftungen, ethnische Vergemeinschaftungen der Diaspora oder politische Vergemeinschaftungen sozialer Bewegungen (vgl. Hepp/ Löffelholz 2001: 282f.).

Quellen

Hepp, Andreas (2008): Globalisierung der Medien und transkulturelle Kommunikation. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 39, 9-16.

Hepp, Andreas/ Löffelholz, Martin (Hrsg.) (2001). Transkulturelle Kommunikation. Ein internationaler Reader. Konstanz: UVK.

Hepp, Andreas/ Krotz, Friedrich/ Winter, Carsten (2005): Einleitung. In: dies. (Hrsg.): Globalisierung der Medienkommunikation. Eine Einführung. Wiesbaden: VS, 7-12.

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