Sprache

Was ist das Wesen der Sprache und gibt es Gemeinsamkeiten im dem Internet? Nun, zunächst einmal ist, wie Martin Warnke (2011) und andere haben gezeigt, das Internet zweifelsohne als ein Netzwerk zu verstehen. Sei es dass auf einer strukturellen Ebene über vielfältigen Links die verschiedenen Webseiten miteinander verbunden sind oder in Form sozialer Netzwerke, die über speziell angelegte Funktionen und Strukturen Menschen miteinander vernetzen. Doch auch die Sprache lässt sich als ein Netzwerk beschreiben. Diese Perspektive folgt einer Auffassung wie sie etwa von Ludwig Wittgenstein (1953) in seinen Philosophischen Untersuchungen vorgetragen wird. Die Netzmetapher dient hier als Erklärung verschiedener epistemologischer Zugriffe auf Sprache als soziales Phänomen. Das Besondere an diesem Verständnis der Sprache als ein Netzwerk ist, dass die einzelnen Elemente, also die Wörter und ihre Bedeutung, nicht klar definiert sind. Der Sprache liegt somit kein Wesen zugrunde. Vielmehr sind sprachliche Äußerungen in eine Matrix konkreter Verwendungszusammenhang eingebunden, ohne dass sich jedoch klare Grenzen benennen ließen. Wittgenstein konzentriert sich in seiner Analyse auf Verwandtschaften und Ähnlichkeiten, verbleibt also an der Oberfläche, indem er beobachtet. Somit ist der Zugriff ein auf Erfahrung rekurrierender (und damit zugleich ein theoriekritischer). Die Methodologie Wittgensteins ist demnach induktiv. Zugleich argumentiert er deduktiv, gleichwohl nicht im Sinne logischer Deduktion von einem abstrakten Wesen der Sprache. Um seine Gedanken zu verdeutlichen benutzt Wittgenstein das Bild des „Spiels“. Diesem liegt ein generelles Verständnis dessen zugrunde, was ein „Spiel“ ist. Allerdings gibt es kein Wesen, keine Essenz des „Spiels“ an sich. Vielmehr könnten die Ähnlichkeiten und Verwandtschaften, etwa zwischen Karten- und Brettspielen, in einem Tableau verortet werden, ohne dass dieses hierarchisiert wäre oder ihm gar ein Zentrum eigen wäre. Die Verbindungen der einzelnen Konzepte verschiedener „Spiele“ lassen sich so als „Familienähnlichkeiten“ charakterisieren. Damit sollen verschiedenartige Gemeinsamkeiten inkludiert werden, etwa phänotypische Merkmale ebenso wie Wesens- oder Charakterzüge. Nach Wittgenstein ist es für das Verständnis des Konzepts „Spiel“ ausreichend, was in gleichem Maß für Sprache im Allgemein Gültigkeit beansprucht, dass ein Phänomen oder eine Entität eine direkte Verbindung zu einem beliebig in das Tableau Eingeordnetem aufweist. Weil aber der Mensch in der Lage ist sich der Sprache so zu bedienen, dass sie Sinn stiftet, können durch Äußerungen zugleich reale Wirkungen hervorgebracht werden. Allerdings funktioniert dies nicht in der Art, dass ein souveränes Subjekt sich der Sprache zweckgerichtet bedient, sondern Sinn und Bedeutung ergeben sich durch die Verweisungszusammenhänge innerhalb des Netzes. Ferdinand de Saussure spricht in diesem Zusammenhang vom „Differenzcharakter“. Wittgenstein weicht hier jedoch insofern von Saussure ab, als er die Sprache nicht wie der Strukturalist als hermetisch und starr betrachtet, sondern eher wie Jacques Derrida als grenzenlos und durch die internen Referenzen bedeutungsgenerierend. Interessant wird es wenn wir nun einen weiteren Aspekt von Sprache betrachten, ihren Handlungscharakter. Dieses Verständnis haben besonders John Austin und John Searle in ihrer Sprechakttheorie geprägt, in der sie darlegen dass Sprechen zugleich auch Handeln sein kann. Mit der Weiterführung dieses Ansatzes, wie er etwa in den Arbeiten der Philosophin Judith Butler geprägt wurde, lässt sich der wirklichkeitskonstituierende Charakter von Sprache theoretisch fassen. Sie bemüht dazu ein Moment von Sprache, durchaus in einem weiteren Verständnis des Wortes, das als Performativität beschrieben wird. Darunter versteht Butler „diejenige diskursive Praxis, die das vollzieht oder produziert, was sie benennt“. Sie geht damit weit über die zuvor gültige Annahme hinaus, dass Sprache lediglich eine Wirkung zeitigen kann, also Effekte in der Wirklichkeit begründet. Butler argumentiert, dass auf diese Weise vielmehr das, was als Wirklichkeit gilt, überhaupt erst hervorgebracht wird – Sprache inauguriert Wirklichkeit. Damit ist Sprache zugleich das Medium, über welches verhandelt wird was als Wahrheit gilt. Sie führt damit einen Gedanken fort, den Nietzsche bereits 1887 in seiner Schrift Zur Genealogie der Moral ausgebreitet und welcher einen Perspektivenwechsel eingeleitet hat, der in der Folge von Michel Foucault aufgegriffen wurde. Statt die vermeintlich zugrundeliegenden Strukturen – die Suche nach dem Apriori in der kantischen Tradition – zu ergründen rückt nun der historische Konstitutionsprozess der gesellschaftlichen Ordnung in den Fokus. In der Sprache wird dieses Werden verhandelt; der Ort dieser Aushandlung ist der Diskurs. Dieser bestimmt somit zugleich, welche Formen des Seins möglich sind: In der Sprache werden Normen verhandelt. Dabei handelt es sich jedoch in aller Regel um Diskurse in verschiedenen Nationalsprachen, so dass ebenfalls verschiedene kulturelle Ordnungen koexistieren. Das Internet hat diesen Trend – zumindest ein Stück weit – gebrochen. Neben den nationalen Diskursen gibt es inzwischen auch einen globalen. Dieser ist, und das ist eins der Probleme mit demokratischen Heiland Internet, nicht allen Personen aufgrund technischer, intellektueller oder sonstiger Hürden gleichermaßen zugänglich. Deswegen ist das Internet zur Zeit nur ein weiteres Feld einer bereits bekannten Entwicklung. Allerdings birgt es das Potential weitere Entwicklungen anzustoßen. Nicht zuletzt deswegen verspricht eine weitere Betrachtung sich zu lohnen.

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