vernetzt-01-02-03 web-code des modernen lebens

Forschungsfrage: Was ist das Internet?
Netzwerk, Technik, Demokratisches Konstrukt, Macht, Interaktion, Partizipation... alles Begriffe, die einem im Diskurs begegnen, auf einen einstürzen und immer wieder neu definiert werden. Soweit so gut. Forschung besteht aus unterschiedlichen Ansätzen und interdisziplinären Feldern, nur verliert der Einzelne schier den Überblick. Die bisherigen Beiträge des Blocks zeigen bereits wie vielfälig die gewonnenen Erkenntnis sind. Doch wie sind diese zu gewichten, was ist entscheidend und gibt es schon "sichere" Ergebnisse? Als Antwort kann hier nur stehen: ich weiß, dass ich nichts weiß, sodass der unbedingte Aufruf besteht weiter zu forschen (s. Artikel Webwissenschaften). Somit versteht sich der folgende Text als Mindmap zum Thema Internet oder vielleicht eher als Ribosom, indem noch willkürliche, assozative Verknüpfungen zwischen den einzelnen Themen bestehen, auf der Suche nach dem wahren Gehalt, der Lösung oder zumindest ein bisschen mehr Kenntnis.
Die aktuellen global-politischen Entwicklungen werfen Schlagworte, wie twitter-Revolution und Gleichberechtigung, aber auch Nischenfindung und anarchistische Regelfreiheit in den Raum. Wo aber lässt sich das Internet tatsächlich einordnen, lässt es das überhaupt? Brauchen wir dafür neue Begriffe oder reichen die alten? Wir stehen am Anfang einer spannenden Forschungsfrage, die bislang jedoch unüberschaubar groß anmutet. Es lassen sich allerdings bereits Diskurs- und Technikentwicklungen feststellen, die Tendenzen ablesbar machen. So folgte auf die Carlifornische Cyber Euphorie der 90'er Jahre bereits eine kritische Reflektion der Machtverhältnisse, sowie der bisherigen partizipativen Nutzung des Internets. Es zeigt sich, so frei kann das Netz nicht sein, wenn Konzerne über Zugänge, Plattformen und vor allem technische Möglichkeiten verfügen. Während Otto-Normal-Verbraucher noch über HTML-Codes rätselt, sprechen Experten schon von web 3.0 und entwickeln nebenher neue Algorythmen und HTML5, die den meisten Usern kryptisch vorkommen und längst nicht mehr verstanden werden. Dafür wird die Gefahr immer deutlicher: abgehengt werden, Wissenslücke, technisches Unverständnis - Vakuum! Wie weit ist die "künstliche Intelligenz" fortgeschritten, wo steht der Mensch, wo die Maschine? Als E.T.A Hoffmann seinen Automatenmensch 1816 kreierte, galt dieser noch als romantische Idee. Heute sprechen wir ganz selbstverständlich von "weiblichen" Cyborgs, die nicht nur Geschlecht, sondern auch ihren festen Platz in unseren Zukunftsvorstellungen haben. 1950 beschrieb Alan Turing in seinem Turning-Test künstliche Intelligenz durch die maschinelle Beantwortung von Fragen eines Computers, die nicht von einem Menschen unterschieden werden könne. Dies schien bislang nicht machbar, nun gewann Watson das subversive Frage-Antwort-Spiel "Jeopardy". Verschwimmen die Grenzen, sind wir Teil einer vernetzten Elektrotechnik, nachdem wir schon längst im Rythmus der Maschinen lebten? Die Philosophie beschäftigt sich seit Jahrhunderten kontrovers mit der Trennung bzw. verbindenden Wechselwirkung von Körper und Geist und bringt immer wieder den Begriff Emergenz ins Spiel. Spontane Entstehung von etwas Neuen, Größerem oder "das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile". Könnte das Internet also emergent sein, wo es doch ständig (inflationäre) Informationen produziert und willkürliche Verknüpfungen erstellt? Aber verweist "produzieren" nicht auf eine menschlich gesteuerte maschinelle Produktion? Wo ist dann der Mensch, was seine Rolle in dem System, gäbe es überhaupt Internet ohne ihn? Mc Luhan sprach zunächst von dem Medium selbst als Botschaft und dann erst von dem global Village, indem wir alle die Folgen der elektronischen Revolution leibhaftig als Zeitbeschleunigung, Spezialisierungs- und Leistungsdruck erführen und feststellten, dass "die Technik" sich unserem menschlichen Nervensystem immer weiter annähert und sich ihm nahezu bemächtigt. Ist es so? Sitzen wir in der Informationsschlinge, ist der Mensch überflüssig, unser Denken der elektronischen Implosion, den Zwängen von Außen angepasst und jegliches Wissen maschinell abrufbar? Ist die Überforderung, die wir im modernen Leben allgegenwärtig spüren, die Reizüberflutung auf die Technik zurückzuführen, auf das Internet? Alfred Nort Whitehead führte in seinem Essay Prozzess und Realität 1929 ein komplexes, ontologisches Prinzip an, welches in den 80'ern von der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) wieder aufgegriffen wurde. Er stellte Realität als Prozess von andauernden Erfahrungen vor, die bis auf kleinste, wahrhafte Einzelwesen teilbar seien. Somit werden alle Dinge im panpsychistischen System geistig handelnde Akteure, deren Entwicklungsmöglichkeiten jedoch durch proto-mentale Eigenschaften beschränkt bzw. beeinflusst werden. Sozialwissenschaftler wie Bruno Latour schließen daraus, das Technik, Natur und Soziales, also Dinge und Akteure gemeinsam eine Akant, eine Einheit wechselseitiger Einflüsse bilden. Was kann das nun für das Internet bedeuten? Ist das dynamische Geflecht der Kybernetik nun doch auf einzelne Kausalitäten rückführbar? Stehen sich Emergenz und Panpsychismus gegenüber, oder erweitern sie sich vielleicht? Ist der Mensch und das Internet ein handelndes Akant und die ganze Welt die Menge aller Einzelwesen, sprich ein Nexus?
All diese Fragen sollten wohl in einer Webwissenschaft ausführlicher erforscht werden! Und so schließt der Text mit dem Ausruf von Stéfan Hessel: Empört euch! Der Franzose wirkte nicht an der Unabhänigkeitserklärung des Cyberspace, dafür aber 1948 in der Un-Menschenrechtskommission mit. Er fordert persönliches Engagement von jedem Einzelnen, Verständins für die Rechte anderer und hoffenden Widerstand als Triebkraft jeglicher sozialen Neuschöpfung. Diese Werte sollten sicher auch für das Internet gelten, was immer das auch für Auswirkungen auf "Cyberrechte", Systemstrukturen oder technische Entwicklungen haben mag.

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