Der Körper im Cyberspace

Der menschliche Körper im Zeitalter des Cyberspace
Ein Merkmal der postmodernen Philosophie ist die Behauptung, dass der Körper oder sogar die Sinne verschwinden.
Baudrillard hat beispielsweise in „Die Illusion und die Virtualität“ darüber geschrieben, wie sich unser Körper in Zeiten der „medialen Reproduktion“ verändert, wenn auch noch nicht vollkommen verschwindet. Im Laufe solcher Untersuchungen wird und wurde die Wirklichkeit in Frage gestellt und unsere physische Existenz gegen ihre virtuellen Abbilder abgewägt. So schrieb der Philosoph Slavoj Zizek: „Wir leben in einer Gesellschaft mit Kaffee ohne Koffein, Schokolade ohne Zucker und Virtualität als Realität ohne Realität“ (hier in: Hasselmann/ Schmidt/ Zumbasch (Hrsg.) 2004: 131. Zit. nach Funkhausgespräche (WDR5) mit Oskar Negt und Slavoj Zizek vom 20.09.2001).
Im Rahmen solcher und ähnlicher Diskurse werden auch die Veränderungen des Körpers durch Gen-, Prothesen- und/ oder Biotechnik verhandelt. Auf die Spitze getrieben werden sie durch die Vorstellung des rein virtuellen Menschen z.B. in den Forschungen der Robotik (wie Hans Moravec) oder anderen posthumanistischen Szenarien. Moravec sprach sogar von einer „>>Befreiung<<>>fleischlichen Hülle<<“ (Ebd. Zit nach Moravec: „Körper, Roboter, Geist“ 1996. In: Kunstforum International 133: 98-112). Diese Art der posthumanistischen Vorstellung der Überwindung des menschlichen Körpers eröffnet demnach interdisziplinäre Diskussionen, welche u.a. in der Kulturwissenschaft und der Philosophie ausgetragen werden.
Um solcherlei Thesen nachzuvollziehen, werde ich im Folgenden die Begriffe Post- und Transhumanismus erläutern und gegeneinander abwägen, sowie die Beziehung dieser Philosophien auf den menschlichen Körper im Zeitalter des Cyberspace erörtern.

Der Begriff Posthumanismus wurde zwar schon im 17ten Jh. von Thomas Blount verwendet, wurde jedoch im heutigen Verständnis erstmals 1977 von Ihab Hassan eingeführt. Auch in der Science-Fiction Literatur der Zeit fand der Begriff und die damit verbundene Vorstellung das Mensch-Seins im Herkömmlichen hinter sich zu lassen, sowie die Schaffung einer post-humanen („nachmenschlichen“) Lebensform schon 1979 mit Bruce Sterling Anklang.
Die Thesen und Überlegungen (u.a. auch von Moravec) entwickelten sich in diesem Kontext immer mehr hin zur Zukunft des Menschen in der Überwindung des natürlichen und biologischen Körpers. Dies hatte die Etablierung der Begrifflichkeit des Posthumanismus für solcherlei philosophische Utopien zur Folge. Obwohl von einem allgemeinen Konsens über die Bezeichnung die Rede sein kann, ist es schwer eine konkrete Definition des Begriffes zu formulieren, die alle unterschiedlichen Strömungen integriert. Dies mag mit der Interdiziplinarität der sich mit diesem Feld befassenden WissenschaftlerInnen und TheoretikerInnen zusammenhängen.
Nach Kathrine Hayles liegt das Wesen des Posthumanismus z.B. in der Annahme, dass das „Informationsmuster“ einen Menschen ausmache und nicht sein biologischer Körper. Auf diese Weise distanziert sie sich von den Theorien, die den Menschen durch seine Intelligent trotz seines mangelhaften Körpers über die Maschine stellen. Diese Negierung einer Sonderstellung der menschlichen Spezies ist auch bei anderen Theoretikern zu finden.
Jens Schröter fasst die Wortdefinition weiter. Er zählt alles zum Posthumanismus, was im Spannungsfeld zwischen der schlichten technischen Vision der Veränderung (und Verbesserung?) des menschlichen Körpers durch Bio- und Gentechnik und den utopischen Vorstellungen von biomechanischen Cyborgs, passt.
Als Ziel sehen jedoch im Allgemeinen alle Posthumanisten die Überwindung des menschlichen Körpers, zur Erreichung einer „unsterblich[en] Existenz in der Virtualität“ (ebd: 134).

Der Fokus „der Transhumanisten" liegt statt auf der Überwindung der Körpers, auf die Verlängerung des Lebens, sowie der Steigerung der mentalen und körperlichen Leistungsfähigkeit des Menschen. Als Ziel ließe sich das Erreichen einer Unsterblichkeit des Menschen durch Technik, sowie die Verbesserung der menschlichen Leistungsfähigkeit und der allgemeinen Lebensumstände, formulieren.
(Es gibt viele unterschiedliche Strömungen und Abgrenzung innerhalb des Transhumanismus, deren Erörterung den hier gegebenen Rahmen sprengen würde, weshalb ich auf dieser allgemeinen Ebene bleiben werde.)

Oliver Krüger grenzt Post- gegen Transhumanismus vorsichtig voneinander ab indem er sagt: „Der Posthumanismus formuliert das Ziel und der Transhumanismus den Weg“ (ebd: 135) und beschreibt hiermit fließende Grenzen zwischen den beiden Philosophien.
Der Transhumanismus versucht den Menschen so lange wie möglich zu erhalten, ihn zu verbessern und zu erweitern und ihn damit zum Subjekt der Forschung und Entwicklung zu machen. Der Posthumanismus hingegen distanziert sich weiter vom natürlichen Menschen und dem Anthropozentrismus der Transhumanisten. Sie versuchen anhand von künstlicher Intelligenz und Robotik die Evolution voran zu treiben, um in letzter Instanz den Menschen wie er heute ist zu überwinden.
„Ob der Transhumanismus als eine Spezialform des Posthumanismus angesehen werden sollte oder ob es sich um zwei unterschiedliche kulturelle Traditionen handelt“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Posthumanismus [06.02.2011]) gilt es noch auszuhandeln. Zu sagen ist jedoch, dass sie beide in ihrer Annahme übereinstimmen, der Mensch habe den Zenit seiner evolutionären Entwicklung erreicht und könne in seiner rein biologischen Art, in der immer weiter technologisierten Welt nicht mehr bestehen.

Meiner Meinung nach sind die Post- wie die Transhumanisten in ihrer Einstellung viel zu gnostisch. Sie gehen permanent von der Mangelhaftigkeit des menschlichen Körpers aus, weisen seine Grenzen auf und gehen sogar soweit, dass sie eine menschliche Existenz völlig ohne Körper im Cyberspace für möglich oder gar erstrebenswert zuhalten. Der Körper wird als Gefängnis des wahren Menschen skizziert. Doch ist das nicht reine Sciencefiction?
Ich gehöre nicht zu der Fraktion aus Medizinverweigerern, die Gen- und Prothesentechnik ablehnen, oder lebenserhaltende Maßnahmen ablehnen. Auch die demographische Entwicklung der letzten 100 Jahre ist meiner Ansicht nach ein Beweis für die positiven Seiten der transhumanen Forschungsansätze.
Und doch gehen meiner Ansicht nach die Post- und Transhumanisten in ihrer Technikglorifizierung zu weit. Die völlige Aufgabe des Körpers bezeichnete schon „Stanislaw Lem 1964 als >>eine merkwürdige Form der Euthanasie, so etwas wie ein angenehmer zivilisatorischer Selbstmord“ (ebd: 141. Zit. nach: Stanislaw Lem: Summa Technologiae (1981): S. 340). Dem stimme ich zu.
Von Seiten der Wissenschaft wird vor Allem an den Techniken der Transhumanisten viel Kritik geübt. Sie plädieren für eine Art der liberale Gesellschaft, in der Jedem die gleichen Möglichkeiten auf soziale Gerechtigkeit gegeben sein sollen. Argumentativ wird dies so untermauert, dass eine solche Gesellschaft derzeit, wenn überhaupt von einer biologisch überlegenen Elite geleitet würde. Dies führe zu einer sozialen Ungleichheit, welche es auszumerzen gelte, indem beispielsweise jedem Techniken zugänglich gemacht werden würden „die es beispielsweise ermöglichen würden, die geistigen Fähigkeiten nach oben hin anzugleichen“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Transhumanismus [06.02.2011]). Auf diese Weise könnten, soweit die Theorie, alle Menschen auf dem gleichen Niveau am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Auch diesen Argumentationsstrang halte ich nicht für völlig falsch, jedoch schon für ethisch fragwürdig. Was wäre der nächste Schritt, wenn man begänne den menschlichen IQ „anzugleichen“? Und wer bestimmt, oder glaubt das Recht zu haben, bestimmen zu können, wer seine geistigen Fähigkeiten steigern darf und wer diese schon in einem ausreichenden Maße besitzt? Ein weitere Punkt, der auf Kritik stößt ist, die „vermeintliche „Verbesserung“ ausgesuchter Leistungsmerkmale“. Dieser Diskurs geht in die selbe Richtung. Die Subjektivität eines solchen Ansatzes liegt auf der Hand.
Gerade auch die transhumanistischen Ansätze in der Genforschung und der embryonalen Selektion lassen immer wieder Kritiken laut werden, die hierin eugenische Züge befürchten. Auch wenn der Transhumanismus sich nicht so sehen möchte und nur für eine Verbesserung des Menschen und seiner Lebensumstände plädiert, werden ethische Kritikpunkte in diesem Rahmen immer wieder laut.

Abschließend kann ich sagen, dass ich die Fantasien der post- und transhumanitischen TheoretikerInnen für Utopien halte. Zwar sind gerade in den Bereichen, in denen der menschliche Körper tatsächlich an seine Grenzen stößt (wie nach Unfällen, schweren und chronischen Krankheiten, etc.) schon erstaunliche Fortschritte erzielt worden, doch halte ich eine Zukunft ganz ohne den Menschen für unmöglich!

Quellen:
Hasselmann, Kristiane; Schmidt, Sandra; Cornelia, Zumbusch (Hrsg) 2004: Utopische Körper. München: Wilhelm Fink Verlag.

Krüger, Oliver 2004: Gnosis im Cyberspace? Die Körperutopien des Posthumanismus. In: Hasselmann, Kristiane; Schmidt, Sandra; Cornelia, Zumbusch (Hrsg) 2004: Utopische Körper. München: Wilhelm Fink Verlag.

http://de.wikipedia.org/wiki/Posthumanismus

http://de.wikipedia.org/wiki/Transhumanismus


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