Netzkunst ist eine spezifische Kunstform, welche mit den genuinen Eigenschaften des Internet operiert. Sie hat sich zeitgleich mit der Entstehung des Internet herausgebildet. Tilman Baumgärtel definiert Netzkunst als Kunst, die nur mit dem Internet funktionieren und nur im Internet existieren kann (vgl. Baumgärtel 1999: 6). Das Internet ist für Netzkunst eben nicht bloß Transportmedium bzw. Präsentationsfläche, sondern dessen Eigenschaften werden gezielt für die künstlerische Produktion eingesetzt.
Baumgärtel identifiziert sechs spezifische Eigenschaften des Internets, die sich Netzkunst zu Eigen macht (vgl. Baumgärtel 1999). Dazu gehört die sogenannte Konnektivität, was meint, dass Austausch und Kommunikation via Internet in einem Maße möglich sind wie es sonst kein anderes Medium leisten kann. Damit verbunden ist die Idee der modernen Kunst, dass Kunstwerken, die aus einem Kollektiv heraus entstehen, einen höheren Gehalt an Kreativität und Ästhetik zugesprochen werden, als solchen, die von einem einzigen ‚genialen’ Künstler produziert werden. Globalität der Netzkunst zeichnet sich dadurch aus, dass diese überall dort wo Internet verfügbar ist – theoretisch überall auf der Welt - rezipiert und produziert werden kann. Mit Multimedialität der Netzkunst ist gemeint, dass das Internet verschiedenste Medientypen integrieren kann. Die Interaktivität der Netzkunst zeichnet sich dadurch aus, dass User nicht nur passiv Inhalte rezipieren, sondern sich aktiv an der Kunstproduktion beteiligen (können). In der Netzkunst hebt sich die Differenz zwischen Rezipient und Künstler weitestgehend auf. Der Künstlerstatus wird automatisch nivelliert bzw. – überspitzt dargestellt – ganz negiert. Zudem bleiben Netzkünstler oftmals bewusst anonym und verwenden häufig kryptische Pseudonyme wie zum Beispiel ‚Jodi’ oder ‚0100101110101101.org’. Dies ist unter dem egalitären Charakter der Netzkunst zu fassen. Kontrovers diskutiert wird die letzte spezifische Funktion der Netzkunst: Immaterialität. Für diese spricht, a) dass mit immateriellen Informationen – Bits und Bytes – gearbeitet wird, b) dass die User digital und körperlos agieren, und c) dass das Internet quasi als raumloser Raum ohne geographischen Bezug betrachtet werden kann. Dagegen steht die Argumentation, dass Bits und Bytes zwar Symbole und Zeichen darstellen, aber durch das Betriebssystem, HTML-Codes und Titel- und Scrollleisten auf Materielles referieren bzw. sich dadurch vergegenständlichen. Zudem sei ihre die Rezeption durch weitere materielle Faktoren wie Internetanschluss, Schnelligkeit der Internetverbindung und von sozioökonomischen Parametern der User wie beispielsweise Bildung und Alter abhängig. (Vgl. Huber 1998)
Innerhalb der Netzkunst lassen sich zwei unterschiedliche Tendenzen beschreiben, wobei diese eher analytisch voneinander getrennt werden können. Tatsächlich überschneiden sich die im Folgenden genannten Aspekte sehr häufig. Zum einen handelt es sich dabei um Arbeiten, die auf ästhetische Aspekte ausgerichtet sind bzw. die Möglichkeiten des Internet und dessen Struktur spielerisch ausnutzen. Diese Form ist technikzentrierter als die Folgende. Zum anderen gibt es Arbeiten, welche mithilfe des Internet Gesellschaftskritik üben bzw. die (Informations-)gesellschaft kritisch reflektieren. Diese wirkt also in soziale, politische und ökonomische Dimensionen hinaus.
Beispiele für Netzkunst als ästhetisches Produkt:
Jodi, Olia Lialina, Milton Manetas, Angelo Plessas
Beispiele für Netzkunst als Reflexion über die Gesellschaft:
Etoy, übermorgen.com, The Yes Men Group
Quellen:
Baumgärtel, Tilmann (1999): net.art. Materialien zur Netzkunst. Nürnberg: Verlag für moderne Kunst.
Huber, Dieter (1998): Materialität und Immaterialität der Netzkunst. In: Danelzik-Brüggemann, Christoph/ Dorgerloh, Annette/ Schoch-Joswig, Brigitte/ Scholz-Hänsel, Michael (Hg.): Netzkunst, kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften. Jg. 26 Nr.1 Marburg, 39-53.
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