"Social Media"

Der Begriff "Social Media" ist in aller Munde und kaum von den Begriffen Internet und Web 2.0 zu trennen. Was aber ist genau das Soziale an den im deutschen Sprachraum auch als "Soziale Medien" bezeichneten Begriff? Wie entstehen solche Medien und welche Bedeutung sowie gesellschaftliche Auswirkungen haben sie? Diesen Fragen soll der folgende Blogeintrag nachgehen.

Liest man in der Zeitung oder im Internet Artikel, die sich mit dem Themengebiet "Social Media" befassen und auf die bahnbrechenden neuen Möglichkeiten sowie die großartigen Zukunftsperspektiven hinweisen, könnte man fast davon ausgehen, dass die soziale Komponente in den Medien etwas Neues sei. Eine Zutat, die bis vor Kurzem noch gefehlt und die Medien nun zur "Vollkommenheit" geführt hat. Betrachtet man den Begriff allerdings genauer, wird schnell deutlich, dass es nie Medien gegeben hat, die nicht sozial, also die Gesellschaft betreffend, sind. Ohne die Wechselwirkung zwischen den verwendeten Techniken und der Gesellschaft wären diese kaum mehr als Technologie und nur bedingt ein Medium. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass grundsätzlich jede Technik zur Übertragung von Information als Medium bezeichnet werden kann. Bei den hier als Medien bezeichneten Kommunikationstechniken ist die Rede von Leitmedien, die in ihrer Entwicklung weit über den Anfangsstatus der Technologie hinaus gewachsen sind. Die kulturell entwickelte Technik des Sprechens mittels eines Systems, der Sprache, hätte nicht die Bedeutung eines Mediums, wenn sie in ihrem Gebrauch nicht grundlegend die sozialen Beziehungen der Menschen zueinander beeinflusst hätte. Die Möglichkeit, Signale über weite Stecken übertragen zu können, hat noch nichts von einem Leitmedium, solange nicht viele Menschen ein Gerät haben, diese auch zu empfangen und zudem auch die übertragene Information sozial nicht relevant ist. Erst die soziale Einflussnahme einer Technologie, kann dieser den Status eines Mediums verleihen. Warum wird aber nun diese Komponente, die den Medien immer schon inne wohnte, bei den betreffenden Anwendungen im World Wide Web so in den Vordergrund gestellt?

Eine Erklärung hierfür könnte die Kombination aus Medientheorie und der eher umgangssprachlichen Verwendung des Begriffes "sozial" liefern. Ein System wird hier oft als sozial bezeichnet, wenn es den beteiligten Personen gleiche Möglichkeiten und Voraussetzungen bietet. Die mediale Struktur hat sich im Hinblick auf das Sender-Empfänger-Modell mit dem Aufkommen der Sozialen Medien grundlegend verändert. Folgten die Massenmedien des 20. Jahrhunderts dem Modell One-to-Many, also ein Sender viele Empfänger, funktioniert eine Social Media - Anwendung nach dem Prinzip Many-to-Many. Jeder Nutzer hat die Möglichkeit Information zu senden und jeder Nutzer kann diese grundsätzlich auch empfangen. Demnach kann man behaupten jeder Nutzer hat gleiche Rechte und Möglichkeiten. Die unterschiedliche Gewichtung der Möglichkeiten, die sich aus der extrem starken Vernetzung einzelner Nutzer ergibt, soll an dieser Stelle vernachlässigt werden um das generelle Prinzip zu verdeutlichen. Jedoch wird dieser Aspekt später noch eine Rolle spielen. Die Zugangsbarrieren sind im Vergleich zu Fernsehen oder Radio verschwindend gering. Die Vorraussetzungen sind mit dem Besitz eines Computers, der Einrichtung eines funktionierenden Internetzugangs und der Installation eines Web-Browsers erfüllt. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass vor allem bei den jüngeren Nutzern der Fernseher nur noch an zweiter Stelle der verwendeten Medien zu finden ist. Die soziale Relevanz, die eine Technologie zu einem Medium macht, ist im Falle der Internetanwendungen also mit Sicherheit gegeben und in Kombination mit dem oben erwähnten umgangssprachlichen Gebrauch des Begriffes "sozial", könnte man durchaus die Entstehung des etwas irreführenden Begriffs "Soziale Medien" nachvollziehen.

Eine andere Erklärung erscheint mir allerdings richtiger. Die eben genannten Punkte sind deshalb nicht gänzlich falsch, sondern vielmehr etwas unglücklich zusammengefügt. Einzelne Aspekte sollen auch bei diesem Ansatz eine Rolle spielen, den ich nun anhand zweier Gegebenheiten, die sich als Neuheiten beim Gebrauch von Medien entwickelt haben, verdeutlichen möchte. Der erste Punkt ist hier mit dem Begriff "User Generated Content" zu nennen. Ansatzweise wird dieses Thema auch schon im vorangegangenen Absatz mit dem Hinweis auf die veränderte Struktur der Sozialen Medien im Vergleich zu den Massenmedien der Vergangenheit angerissen (Many-to-Many). Die Darstellung dieser Veränderung allein reicht aber noch nicht aus um das fortschrittliche Wesen der neuen Medien vollständig zu verdeutlichen. Vielmehr müssen auch die konkreten Auswirkungen dieser Entwicklung mit in die Überlegungen einbezogen werden. Wie zu Beginn dieses Blogeintrags erwähnt, ist der Begriff Web 2.0 eng mit den Sozialen Medien verstrickt. Nachdem das Internet in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit seinen im Html-Code erstellten Homepages einen eher statischen Charakter hatte, nahm es mit der Entwicklung neuer technischer Vorraussetzungen, dem Java-Script, das es dem User erlaubte eine Internetseite zu verändern, ohne diese komplett neu laden zu müssen, im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ein neues Gesicht an, das dann mit dem Begriff Web 2.0 auch einen Namen hatte. Von da an gab es im Internet dynamische Anwendungen, die mit der Zeit zunehmend stärker durch Nutzergenerierte Inhalte gestaltet wurden. Diese Tatsache legt nahe, warum der Name Social Media durchaus gerechtfertigt ist. Im Gegensatz zu allen früheren Medien wird das Medium hier nicht durch die Wechselwirkung zwischen Technologie und Gesellschaft weiterentwickelt, nein hier steht die soziale Komponente am Anfang der Entwicklung, da das Medium erst durch den von den Nutzern erstellten Inhalt entsteht. Bei der Internetanwendung YouTube gibt es keine zentrale Stelle, die den Inhalt, der auf dem Portal verfügbar ist, festlegt. Es sind alle Nutzer gemeinsam, die das Medium ins Leben rufen und auch für dessen Qualität verantwortlich sind. Bei den Medien des Web 2.0 ist im Gegensatz zu den Medien Fernsehen oder Radio eine "Talk Back"- Möglichkeit nicht nur angelegt sondern auch ein elementarer Bestandteil. Als "Talk Back" wird die Möglichkeit bezeichnet, ein Medium in beide Richtungen zu benutzen, nicht nur vom Sender zum Empfänger, wie es, von Zuschaueranrufen abgesehen, bei Fernsehen oder Radio der Fall ist. Die außerordentliche Bedeutung des Sozialen bei den neuen Medien ist also nicht zu leugnen.
Der zweite Punkt, der weiterhin verdeutlichen soll, dass die Sozialen Medien ihren Namen wirklich verdient haben und dieser absolut richtig gewählt ist, transzendiert die Rolle der Nutzer bei der Entstehung der neuen Medien. Diese haben soziale Verhaltensweisen nicht nur verändert, sodass man beispielsweise unkomplizierter oder günstiger mit anderen Menschen kommunizieren kann, sondern in einer kontinuierlichen Entwicklung auch ganz neue soziale Praktiken überhaupt erst hervorgebracht. Nutzer von Internetanwendungen wie Facebook oder MySpace können sich im Netz gewissermaßen neu erfinden und sich so über die Gestaltung ihres Profils eine zweite Identität erschaffen, die wahlweise der Realität entspricht oder auch nicht. Die Möglichkeit eines jeden Einzelnen, Kommentare und Bewertungen abzugeben, wird in dieser digitalen Öffentlichkeit auffallend oft bis an die Grenze der Sinnfreiheit vorangetrieben. Gleichzeitig haben sich aber auch Praktiken entwickelt, die einer Demokratie sehr dienlich sind. Online-Petitionen durchstreifen das Netz auf der Suche nach Sympathisanten und sind zu einem nicht zu unterschätzenden Instrument der Massen geworden.

Die Sozialen Medien haben eine ganz neue digitale Öffentlichkeit erschaffen, die das soziale Gefüge weitaus stärker beeinflusst hat als jedes andere Medium zuvor. Hat der Fernseher ein globales Bewusstsein angeregt, so könnte man sagen, haben die Sozialen Medien ein Bedürfnis der globalen Einflussnahme hervorgebracht. Wo uns diese Entwicklung in Zukunft hinführen wird ist nicht mit Gewissheit vorherzusagen. Es gibt verschiedene Gedankenansätze, die meist in absolutem Gegensatz zueinander stehen. Social Media macht uns freier behaupten manche, weil uns damit unzählige Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und somit der Vernetzung kaum Grenzen gesetzt seien. Genau das Gegenteil sei der Fall, da wir gezwungen sind an der digitalen Öffentlichkeit teilzunehmen um nicht isoliert zu werden, behaupten andere. Eine ähnliche Ambivalenz gibt es auf dem Gebiet des Wissens. Durch die enorme Masse an verfügbaren Informationen würden wir klüger, so die eine These. Nicht weniger nachvollziehbar wird für die Antithese genau diese Flut an Daten als Begründung verwendet um herauszustellen, wir würden durch die unendliche Vernetzung dümmer, da es nicht mehr möglich sei, eine sinnvolle Filterung der Information vorzunehmen. Wie dem auch sei, Rückgängig ist die Entwicklung der Sozialen Medien keines Falls mehr zu machen. Diejenigen, die aus einer Art Kulturpessimismus heraus der Zukunft skeptisch und besorgt entgegen blicken, haben es heute, mehr denn je, selbst in der Hand, ihren Beitrag zu leisten um die Gesellschaft von morgen mittels der Sozialen Medien mit zu gestalten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.