Cyberwar

"einmal Gott bitte, in Terabyte-Größe"

Mit diesen Worten beschreibt Stefan Kornelius, der Außenpolitikchef der Süddeutschen Zeitung den WikiLeaks-GründerJulian Assange.

Die Enthüllungsplattform WikiLeaks ist in den vergangenen Jahren immer wieder in die PResse gekommen und ha die Weltpolitik maßgeblich unter Druck gesetzt. Durch die Veröffentlichung von Kriegsberichten über den Verlauf des Irak-Krieges und kürzlich der Veröffentlichung des Schriftverkehrs von US-amerikanischen Diplomaten über deutsche Politiker sind brisane Details ans Licht gekommen, die WikiLeaks zum Staatsfeind der USA machte. Gerade Geheimdiplomatie ist ein wichtiges Werkzeug der Machtpolitik der USA.

Nach Hackerethik gilt für WikiLeaks die Grundregel: Jedes Material, das uns erreicht, werden wir veröffentlichen. Dabei wird nicht in Betracht gezogen, welche Folgen und Konsequenzen diese Veröffentlichung haben mag.

Die Frage, die sich hier anschließt, ist: Ist es sinnvoll für unsere demokratische Gesellschaft, dass Regierungen vollkommen transparent agieren?

WikiLeaks ist zu einem Cybergegner der mächtigen Regierungen geworden. Mittlerweile geht von der Plattform eine überwältigende Macht aus, nicht zuletzt durch die Fülle von Einträgen, die zu verzeichnen sind. Beispielhaft festzustellen ist diese hohe gesellschaftliche Relevanz, die nur im Cyberspace durchzusetzen ist, bei der Enthüllung von 391.832 Kriegsberichten aus dem Irak. Bereits weniger als 5 Stunden nach dem MegaLeak gab es weltweit über 1.500 Medienartikel und über 100 Twitter-Einträge pro Minute. Das ganze Netz wurde von WikiLeaks bewegt.

Mehrmals gab es Drohungen gegen Personen, die durch WikiLeaks, in brisante Situationen geraten sind. Am 5. März 2009 wurden die Kenianer Paul Oulu und Oscar Kingara, zwei Bekannte von Assange und Datenversorger für WikiLeaks, Opfer eines Attentats. Assange war zutiefst erschüttert. Es kann sehr gefährlich sein, offen korrupte Regierungen anzuprangern, denn auch die Politik verfügt über eine nicht zu vernachlässigende Macht.

„Transparenz führt zu Verantwortlichkeit und bietet den Bürgern Informationen über das, was ihre Regierung tun“, schreibt Barack Obama auf der Homepage des Weißen Hauses. Doch viele Journalisten sind der Meinung, dass, wenn man dem Staat die Macht über politische Geheimnisse entzieht, die Stabilität des Systems verloren geht und unterstützen daher die Exekutive. In einer demokratischen Gesellschaft sei allerdings zu überlegen, ob die Rolle der Medien damit richtig wahrgenommen wird. Ist es nicht dann, wenn das System unter ehrlichen Umständen nicht mehr funktioniert, die Aufgabe des Systems, sich neu zu justieren? Dem Journalisten ist eine WikiLeaks-hafte Vorgehensweise oft zu energisch. Zwar will er Missstände aufdecken, aber nicht revolutionär tätig werden. Doch innerhalb des herrschenden Machtgefüges entsteht schnell dieses Gefühl. Der Journalist trägt Verantwortung. In erster Linie seinem Leser gegenüber und nicht der Regierung.

Besonders die amerikanische Außenpolitik bot viele Anlässe, an ihrer Arbeit zu zweifeln in den letzten Jahren. Wenn wir jetzt einem etwaigen Iran-Krieg bevorstehen, wird das vermutlich die ganze Welt betreffen und damit jeden einzelnen Bürger. Die Vorbereitungen der USA, die hinter verschlossenen Türen getroffen werden, sind damit von höchster Wichtigkeit, die Öffentlichkeit kann Anspruch erheben auf eben diese Details.

Eine außerordentliche Macht kann ein Hacker auch dann ausüben, wenn er nicht Regierungen entblöst, sondern wenn er sich großen börsennotierten Unternehmen annimmt. Neben dem Streisand-Effekt, der bei der Schweizer Privatbank Julius Bär ausgelöst wurde, ist hier als Beispiel der ins Netz gestellte HIV-Test des Appel-Unternehmensleiter Steve Jobs zu erwähnen. Das bei WikLeaks veröffentlichte Dokument zeigte 2009 ein positives Testergebnis. Mit der Echtheit dieses Testergebnisses würde die Zukunft der Computerfirma auf dem Spiel stehen und der Aktienmarkt stark in Schwankungen geraten. Die Testergebnisse waren gefälscht. Selten in der WikiLeaks Karriere passiert ein solcher Fall der missachteten Sorgfaltspflicht. Doch abgesehen davon stellte sich an dieser Stelle selbst einigen Mitgliedern die Frage, ob hier die Grenze der Privatsphäre überschritten wurde. Ebenso, wie die Verpflichtung der Quellen gegenüber alle Dokumente für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, bestehe auch die Verpflichtung den Betroffenen gegenüber im Zweifel eben nicht zu publizieren. Ein großes aus Spenden finanziertes Team beschäftigt sich deshalb auf technischer und inhaltlicher Ebene damit, das zugesandte Material zu verifizieren.

Julian Assange ist die Schlüsselfigur bei WikiLeaks. Doch der Anspruch auf völlige demokratiestärkende Transparenz ist in der Vereinigung selbst nicht gegeben. Assange trifft viele Entscheidungen allein und eine Hierarchie und Struktur gibt es nicht. „einmal Gott bitte, in Terabyte-Größe“ charakterisiert daher diesen Mann, der sich aktuell Vergewaltigungsvorwürfen stellen muss.

Die Angst vor der größtmöglichen Transparenz innerhalb eines Staates lässt viele Bürger, Politiker und Journalisten der Enthüllungsplattform kritisch gegenüber stehen. Das Prinzip, dem die Plattform folgt, sollte allerdings nicht in Frage gestellt werden. Die bestehende Angst vor aufgedeckten Geheimnissen ist doch bereits ein Zeichen dafür, dass unser Staatssystem nicht richtig funktioniert.


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