Gatekeeping

Eine Funktion der Medien, speziell des Journalismus, ist zum einen die Informationsverbreitung, und in diesem Zusammenhang die Mitwirkung an der Meinungsbildung. Sie richten sich an die gesamte Gesellschaft und stellen Themen für die öffentliche Kommunikation bereit. Aus der unendlichen Fülle an verfügbaren Themen werden einzelne Inhalte herausselektiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Diesen Prozess der Selektion bezeichnet man als Gatekeeping.

Der Begriff meint ein System der Kontrolle, welches darüber entscheidet, "welche Inhalte aus den Produktionsprozessen in Druck- und Funkmedien an die Öffentlichkeit gelangen" (Bruns, 2009, S.107). Die Kontrolleure dieser Medien, also die Gatekeeper, sind in erster Linie Journalisten und Redakteure. Sie haben die Funktion die Gates zu bewachen, durch die Inhalte an die Rezipienten gelangen (Vgl. ebd.).
In den traditionellen Nachrichtenorganisationen gibt es zwei solcher Gates, auch Schleusen genannt, die kontrolliert werden. Die erste Schleuse befindet sich an der Eingangsstufe, durch die Neuigkeiten und Informationen in den Nachrichtenproduktionsprozess eingelassen werden. Die zweite Schleuse befindet sich an der Ausgangsstufe, dort werden die Nachrichten in die Öffentlichkeit entlassen (Vgl. ebd., S.108).

In diesem Zusammenhang wird der Nachrichtenwert-Theorie eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Die Nachrichtenwert-Theorie fragt nach den Eigenschaften, die ein Ereignis besitzen muss, um als Nachricht in die Medien zu gelangen. Insgesamt fasst man 12 Faktoren zusammen, die den Nachrichtenwert eines Ereignis bestimmen. Dazu zählen unter anderem die Frequenz, das heißt, dass der zeitliche Ablauf eines Ereignis mit dem Erscheinungsrhythmus in den Medien übereinstimmen muss. Damit sind unter anderem die Arbeitsstrukturen gemeint, wie z.B. der Redaktionsschluss. Ein Ereignis, das nach Redaktionsschluss, wird mit großer Wahrscheinlichkeit weniger Beachtung finden als ein Ereignis, welches während einer Redaktionskonferenz geschieht. Weitere Faktoren sind: Die Außergewöhnlichkeit eines Ereignis, die Eindeutigkeit, die Bedeutsamkeit, sowie der Überraschungswert. Unvorhersehbare und seltene Ereignisse haben die größte Chance als Meldung in die Medien zu gelangen. Wichtig zu erwähnen ist auch noch der Bezug auf Elite-Nationen oder Elite-Personen. Ereignisse, die wirtschaftlich oder militärisch mächtige Nationen oder prominente und einflussreiche Personen betreffen, finden häufiger Beachtung in den Medien. Ferner ist die Rede von einem Negativismusfaktor. Es wird angenommen, dass je mehr ein Ereignis auf Konflikt, Kontroverse, Zerstörung oder Tod bezogen ist, umso stärker beachtet wird.
(Die Informationen aus diesem Abschnitt beziehen sich auf eine Vorlesung von Jutta Röser mit dem Titel "Journalismus - Funktionen und Konzepte" aus dem SS 2010).

Der beschriebene Prozess der Nachrichtenproduktion mit seinen Gatekeeper-Funktionen erfährt jedoch mit dem Auftauchen des Internet, insbesondere mit dessen kollaborativen Anwendungsmöglichkeiten in Weblogs, Online-Foren und Netzwerken eine Art Wirkungsverlust.
Im Internet tauchen nun drei Arten von Nachrichtenvermittlern auf:
Zum einen gibt es dort die professionellen-redaktionellen Vermittler, zu welchen der Online-Journalismus, also das Angebot an Online-Zeitungen etc. gehört. Darüber hinaus gibt es die technischen Vermittler, wozu die Suchmaschinenangebote wie "Google-News" oder "Paperball" zählen und schließlich die partizipative Vermittlung in Weblogs oder Websites wie "Wikipedia" und "Youtube"(Vgl. Neuberger, 2008, S.260).

Im Zuge der partizipativen Vermittlung sind die regulären Rollen von Kommunikator und Rezipient differenzierter zu betrachten. In Zeiten von Weblogs und Online-Foren ist nicht mehr nur der ausgebildete Journalist Kommuniaktor von Nachrichten, sondern jeder hat prinzipiell die Möglichkeit die Rolle des Nachrichtenvermittlers einzunehmen. Der Nutzer konsumiert nicht mehr nur die Inhalte, sondern produziert diese selbst mit. Ganz nach dem Slogan von Indymedia, einer Plattform für unabhängige Berichterstattung, 'Everyone is a witness. Everyone is a journalist. Everyone has a story.' wir auf die Rolle des Nutzer als Kommunikator hingewiesen (Bruns, 2009, S.119).

Online-Angebote gewinnen neben den traditionellen Medien zunehmende an Bedeutung für die öffentliche und individuelle Meinungsbildung. Dabei nehmen auch die technischen Vermittler wie Suchmaschinen eine zentrale Stellung ein. Durch ihre Auswahl und Sortierung der angezeigten Seiten und die damit verbundene Regulierung des Informationsflusses erhalten Suchmaschinen publizistische Macht. Sie haben damit im Internet eine den typischen Gatekeepern vergleichbare Funktion (Vgl. Machill/Beiler, S.159). Einige Studien, die den Einfluss von Suchmaschinen auf die journalistische Berichterstattung untersuchten, haben gezeigt, dass eine Vielzahl von Journalisten die Anwendung von Suchmaschinen, insbesondere von Google, nutzen (Vgl. Wyss/Keel, 2008, S.62). So gaben einige Befragte an, dass "Google als dominante Suchmaschine nicht mehr aus dem Alltag der Journalisten wegzudenken" sei und bezeichneten Google als "das wichtigste Recherchemittel" (ebd., S.69).
Eingesetzt werde die Suchmaschine demnach vor allem als Dudenersatz, zum Nachrecherchieren von Beiträgen, zum Aufspüren von Experten oder einfach um sich inspirieren zu lassen und Ideen für einen neuen Beitrag zu sammeln. Dies veranschaulicht den Einfluss des technischen Vermittlers bei der Themenselektion, wobei zu beachten ist, dass dies vermehrt auf die Arbeit in Boulevardzeitungen zutrifft. Für den Redakteur einer Nachrichtenzeitung sind zudem die Agenturmeldungen und Newsticker eine Hilfestellung (Vgl. ebd.). Nichtsdestotrotz schildert dies die Funktion einer Suchmaschine und speziell die von Google als Wegweiser für die Berichterstattung. Denn die Recherche wird mit dem Einsatz von Google eingeschränkt, weil bereits die Suchmaschine als erster Gatekeeper auf eine nicht durchsichtige Weise eine Bewertung der Informationen vornimmt und diese nur selektiv darstellt (Vgl. ebd., S.62).


Quellen:

Bruns, Axel (2009): Vom Gatekeeping zum Gatewatching. Modelle der journalistischen Vermittlung im Internet. In: Neuberger, Christoph/Nuernbergk, Christian/Rischke, Melanie (Hrsg.): Journalismus im Internet. Profession, Partizipation, Technisierung. Wiesbaden: VS, 107-128.

Machill, Marcel/Beiler, Markus (2008): Suchmaschinen als Vertrauensgüter. Internet-Gatekeeper für die Informationsgesellschaft? In: Klumpp, Dieter/Kubicek, Herbert/Roßnagel, Alexander/Schulz, Wolfgang (Hrsg.): Informationelles Vertrauen für die Informationsgesellschaft. Berlin (u.a.): Springer, 159-172.

Neuberger, Christoph (2008): Neue Medien als Herausforderung für die Journalismustheorie. Paradigmenwechsel in der Vermittlung öffentlicher Kommunikation. In: Winter, Carsten/Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich (Hrsg.): Theorien der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Grundlegende Diskussionen, Forschungsfelder und Theorieentwicklungen. Wiesbaden: VS, 251-267.

Wyss, Vinzenz/Keel, Guido (2008): Die Suchmaschine als Danaergeschenk. Zur strukturellen Gewalt der "Googleisierung" des Journalismus. In: Quandt, Thorsten/Schweiger, Wolfgang (Hrsg.): Journalismus online - Partizipation oder Profession? Wiesbaden: VS, 61-73.

3 Kommentare:

  1. N'abend allerseits!

    Ich habe eine kurze Verständnisfrage:
    Du nennst drei Arten der Nachrichtenvermittlung:
    1. publizistische-redaktionelle Vermittlung
    2. technische Vermittlung
    3. partizipative Vermittlung

    Aber es gibt doch noch mehr Formen der Vermittlung als "Gatekeeping-Ersatz" im Zeitalter Internet, so zum Beispiel soziale Netzwerke (Facebook, Xing, StudiVZ). Dort werden je nach Umfang und Auswahl der Freunde bzw. Kontakte selektierte Nachrichten übermittelt.
    Oder ist das unter Punkt 3(publizistische Vermittlung) bereits impliziert?

    Gruß

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  2. Sorry, meine natürlich partizipative Vermittlung (ist doch schon etwas spät...)

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  3. Hallo!
    Ja mit der partizipativen Vermittlung meine ich auch die die Vermittlung über soziale Netzwerke wie Facebook etc..
    Grüße

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