Tron


In dem US-amerikanischen Film 'Tron' von Steven Lisberger (1982) werden Computerprogramme als lebende Wesen einer Cyberwelt Wirklichkeit. In dieser virtuellen Welt sprechen, sehen und glauben die Programme wie Menschen. Auch ihre Erscheinung ist humanoid. Sie beklagen sich über die Zustände ihrer Welt, die vom Master Control Program (MCP) beherrscht wird. Das MCP speist alle Programme in sein System ein, die ihm nützlich erscheinen, lässt sie für sich arbeiten und gewinnt so an Macht. Es herrschen kriegerische und diktatorische Zustände. Diese Welt ist geprägt von einer grauen, computersimulierten Ästhetik, deren bunt-schrille Akzente durch neonleuchtende Schaltkreise gesetzt werden. Sie wirkt wie eine Welt, die unabhängig von der "realen Welt" zu existieren scheint. Allerdings funktioniert die virtuelle Welt unter der Kontrolle des MCPs nicht selbstständig. Der Handlungsraum ist beschränkt auf das Reich einer Computerfirma 'Encom', deren Präsident Ed Dillinger, seine Mitarbeiter, sowie die User der Computerprogramme die Verbindung zur virtuellen Welt darstellen. Die Programme sehen aus wie ihre Entwickler, besitzen Persönlichkeiten und sind der Bedienung ihrer User untergeordnet. Besteht keine Vebindung zu den Usern, scheinen die Programme allerdings bedingt in der Lage zu sein, sich in den Zwischenräumen ihrer Schaltkreise frei zu bewegen. Nur das MPC vermag die Bewegungsfreiheit der Programme einzuschränken. Der kontrollierende Rechner der Computerfirma wehrt Eindringlinge (Hacker) von außerhalb ab und steht im Kontakt zu Ed Dillinger. MCP und Ed Dillinger sind jeweilige Präsidenten ihrer Machtbereiche. Ganz klar scheint dieses Verhältnis zwischen ihnen nicht geklärt zu sein, das MCP will sich zunehmend auch von seinem Administrator Dillinger lösen und auf Eigeninitiative handeln: "Mr. Dillinger, ich bin sehr enttäuscht von Ihnen. Ich kann nicht zulassen, dass mich ein unabhängiges Monitorprogramm überwacht (...)"
Im Film versucht der Spieleentwickler Flynn Beweise darüber zu beschaffen, dass Ed Dillinger seine von ihm programmierten Computerspiele geklaut hat. Auf der Suche nach Beweisen will Flynn sich in das MCP einhacken. Doch der mächtige Rechner der Firma wehrt sich, aktiviert den kürzlich erfundenen Entmaterialisierungslaser, digitalisiert Flynn und lässt ihn innerhalb des Rasters wieder zur Materie werden. Flynn ist nun ein Gefangener in einer Welt lebender Programme.

Mit diesem dystopischen Motiv einer Cyberwelt, die sich von der realen Welt abzulösen scheint und es auch noch vermag, Menschen der 'anderen' Welt in ihr materialisieren zu lassen, werden Befürchtungen und Möglichkeiten wieder gespiegelt, die den Entwicklungen moderner Computertechnologien zugeschrieben werden können. Dieses Motiv einer negativen und beängstigenden Darstellung der Computertechnik wird mit Zunahme ihrer technischen Entwicklungen häufig als Motiv aufgegriffen (im Science-Fiction, Cyberpunk, Technik-Utopien). Cyber-Dystopien beschäftigen sich meist nur mit Teilaspekten technischer oder gesellschaftlicher Entwicklungen. Neben 'Tron' sei an dieser Stelle auch auf die Filme 'Welt am Draht' (1973), 'Blade Runner' (1982) und 'Matrix' hingewiesen.

Der Film entwickelt Visionen einer möglichen Zukunft, die bis heute nicht eingetroffen sind, aber immer noch aktuell erscheinen. Allerdings hat sich in den technischen Möglichkeiten des Darstellbaren vieles verändert, so dass die realistische Umsetzung dieser Visionen immer näher zu rücken scheint. So waren es gerade die computergenerierten Sequenzen, die damals hochgelobt, als ein Meilenstein in der Filmtechnik galten. Sie sind heute längst veraltet. 'Tron' verdiente zur Zeit seiner Herausgabe in den 80er Jahren vor allem Anerkennung wegen seiner aufwendigen Produktion und technischen Umsetzung. Der Großteil der Aufnahmen allerdings ist auf klassische Weise entstanden, wurde im Nachhinein koloriert oder zeigt die Schauspieler mit aufwendigen Kostümen bestückt. Bekannte Comiczeichner wie Jean Giraus (Möbiusband) und die Filmmusikerin Wendy Carlos (Stanley Kubrick Filme) waren auch beteiligt. (vgl. critic.de).

Dennoch vermisse ich die Schärfe einer 'wirklichen' Dystopie bei der filmischen Umsetzung von Tron. Denn abgesehen von der hochgelobten Computerästhetik des Films, geht es im Prinzip um altbekannte Muster innerhalb und außerhalb des Rechners. Macht, Krieg und Liebe bestimmen die zwischenmenschlichen und -programmlichen Beziehungen. Das dystopische Weltbild wird zum Ende hin relativiert. Denn der Film endet, wie so üblich in Hollywood-Produktionen mit einem Happy End.
Das MCP wird deaktiviert, der Betrug von Ed Dillinger aufgedeckt und Flynn erhält den Präsidentenposten bei Encom. Das Gute siegt über dem Bösen. Encom und sein Computerreich wird zum Ende des Filmes etwas sozialer und demokratischer.
Hoffnungen bleiben bestehen, dass wir Menschen uns den dystopischen Kräften entgegenstellen können. Das lebende Raster, die virtuelle Realität ebenfalls und somit auch die Gefahr, ihrer "bösen" Ablösung und Autonomisierung von der realen Welt.
Der Weg ist gelegt für den zweiten Teil: Tron Legacy ...

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