Virtuelle Organisation / Virtuelles Unternehmen

Notwendigkeit zur Kooperation in Zeiten des Wandels

„Die deutsche Gesellschaft erlebt einen tiefgreifenden Wandel, angetrieben von radikalen Veränderungen der Arbeitswelt.“ (KRETZ, S.; MÜLLER, M. U.; REPINSKI, G.; TIETZ, J. 2010: Ära der Unsicherheit in: Der Spiegel 12/2010, S. 82.) Das sozial-ökonomischen System befindet sich in einer Umbruchphase, die gekennzeichnet ist durch zunehmende Komplexität, Dynamik und Vielschichtigkeit (vgl. VOGT G. G. 1999: Nomaden der Arbeitswelt. Virtuelle Unternehmen, Kooperationen auf Zeit, Zürich, S. 7 - 8). Die Komplexität wir erhöht durch zunehmende Vernetzung, sich beschleunigende Dynamik, weiter voranschreitende Automatisierung und durch die Vielschichtigkeit des Menschen, der eigenständig und mit Emotionen handelt. Dieser „Wandel vollzieht sich zwar nicht erst seit gestern, aber erst jetzt […] wird er schlagartig spürbar“ (KRETZ, S.; MÜLLER, M. U.; REPINSKI, G.; TIETZ, J. 2010, S. 84). In der Gesellschaft wirken unterschiedliche Kräfte, die sich gegenseitig verstärken und den Prozess des Wandels dynamischer und unberechenbarer als vergleichbare Strukturwandel in der Vergangenheit machen. Im Zentrum dieser Kräfte steht die Vernetzung als neue Ordnung, die alle Bereiche des Alltagsleben betrifft und neue Anforderungen mit sich bringt. Nicht nur Privatpersonen vernetzen sich mittels Facebook oder anderen sozialen Netzwerken, sondern auch NGOs, Regierungen und Staaten. Auch die Vernetzung des Menschen mit der Natur gewinnt an Bedeutung wie an den Auswirkungen der Vulkanaschewolke im April 2010 deutlich wird. Als zentrale Tendenzen stehen sich die Kraft der Regulierung und die der Erosion, sowie der Institutionalisierung und der Entwicklung gegenüber. Einerseits wird versucht der zunehmenden Komplexität und Dynamit mit Standardisierungen, Normierungen und Bürokratisierung entgegenzutreten und andererseits lösen sich gesellschaftliche Strukturen auf. Neuen Entwicklungen und technologischen Fortschritt als Erneuerung der gesellschaftlichen Strukturen steht die Institutionalisierung mit der Bewahrung von Normen, Werten und Traditionen gegenüber. Es entsteht immer weniger Planungssicherheit durch den Aspekt der Unkenntnis. Als Folge dieser Veränderungen stößt die gegenwärtige reduktionistische Denk- und Herangehensweise, die versucht Komplexität zu verringern, an ihre Grenzen. Die Ursache hierfür ist nicht der Wandel an sich, sondern vielmehr der Umgang mit den sich verändernden Rahmenbedingugen und den unterschiedlichen Kräften, die wirken. Kooperation wird in Zeiten des Wandels wichtiger, um die eigene Kernkompetenz zu ergänzen und eigenen Schwächen auszugleichen. Die zunehmende Vernetzung bildet dabei die Grundlage. Ein Zukunftsmodell kann die virtuelle Organisation darstellen, also berufliche Kooperationen auf Zeit. Hierbei schließen sich rechtlich unabhängige Unternehmungen und / oder Einzelpersonen virtuell, also meist über das Internet, für einen gewissen Zeitraum (meist für ein bestimmtes Projekt) zu einem gemeinsamen Geschäftsverbund zusammen. Diese Form der Zusammenarbeit hat nach VOGT „ein besonders grosses (sic!) Potenzial, die aktuellen Probleme des Arbeitsmarktes zu lösen.“ (VOGT, G. G. 1999: Nomaden der Arbeitswelt. Virtuelle Unternehmen, Kooperationen auf Zeit, Zürich, S. 7).

Ein virtuelles Unternehmen - Die Firma, die nicht fassbar ist

Auf den ersten Blick wirken virtuelle Unternehmen eigenartig, da sie zwar wie eine geschlossene Einheit wirken, jedoch weder physisch noch rechtlich eine darstellen. Außerdem sind diese Organisationen meist "viel zu komplex, als daß (sic!) sie lediglich aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive erklärt werden können." (KRYSTEK, R.; REPPEGATHER, S. 1997: Grundzüge virtueller Organisationen. Elemente und Erfolgsfaktoren, Chancen und Risiken, S. 4). In dieser Art der Organisation ist kein
feststehender Aufbau gegeben, da sich die Struktur ständig im Laufe der Zeit ändert. Kunden und Lieferanten werden stark mit einbezogen und tragen zur ständigen Reformation der Arbeitsgruppen und Abteilungen bei. Aufgaben und Einflussbereiche verschieben sich somit immer wieder. Die Grundlage bildet also eine Netzstruktur. Zusammenhalt in der virtuellen Organisation geben die Aktivitäten und Beziehungen der einzelnen Akteure, indem sie Identität verleihen. Beziehungen werden nicht als Unter- oder Überstellungen definiert werden, sondern als Verbindungen zwischen Gleichgestellten. Information bildet den Rohstoff und die Grundlage des Erfolgs eines virtuellen Unternehmens. Die Organisation zeichnet sich durch kurze Informations- und
Entscheidungswege aus. Autonomie und Eigenverantwortung werden gefördert. Vernetzung, Telekommunikation und die Auslagerung von Aufgaben an Externe macht die Arbeitsplätze mobil, dass heißt ein fester Arbeitsplatz in einem Bürogebäude ist nicht mehr zwingend notwendig. (vgl. VOGT, G. G. 1999, S. 26 - 27, 29ff. und auch KRYSTEK, R.; REPPEGATHER, S. 1997, S. 4-5)

Nach VOGT sind virtuelle Unternehmen erfolgreicher durch (vgl. VOGT, G. G. 1999, S. 43ff.):

- die Konzentration auf die Kernkompetenzen,
- die Wissensbasiertheit, also die Konzentration auf die Humanressourcen,
- effizientes Wissensmanagement,
- die Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse und
- die lernende Organisation, vor allem durch kollektives Lernen.

Nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile

Für die Stakeholder bringen virtuelle Unternehmen einige Vorteile, doch für die Arbeitnehmer/innen birgt es auch Gefahren (vgl. auch im Folgenden VOGT, G. G. 1999, S. 166ff.). Das traditionelle Arbeitsschema wird aufgelöst, da die Arbeitszeiten deutlich flexibler werden. Als Individuum kann mit dieser Umstellung des Wochenschemas vermutlich leichter umgegangen werden, als wenn die Anforderungen von zwei oder mehr Personen eine Rolle spielen. Die Koordination von Freizeit und Arbeitszeit wird schwieriger. Damit verbunden ist auch der Umgang mit Unsicherheiten. Da die Arbeitszeit nicht mehr fest geregelt ist, fällt auch dieser für manche Menschen sehr wichitge Rahmen im Leben weg. Es fehlt ihnen an fester Struktur. "Zu Selbständigkeit und Unabhängigkeit gehören gewisse Unsicherheiten", so VOGT (VOGT, G. G. 1999, S. 167). Dieses bedeutet auch, dass die klassische Karriere, dass heiß Aufstiegsmöglichkeiten in Richtung der Spitzenposition, so nicht mehr möglich sind, da immer mehr projektbezogen gearbeitet wird. Persönlicher Aufstieg ist nur durch die Erweiterung der eigenen Kompetenzen zu erreichen, indem dann ganzheitliche und somit anspruchsvollere Aufgaben übernommen werden können.


Was heißt das nun?

Nach VOGT sollten die Vorteile der virtuellen Unternehmen genutzt werden, da es sich hierbei um eine "attraktive[..] Alternative, die nicht nur Arbeitsplätze schafft, sondern auch die Lebensqualität der Arbeitenden entscheidend verbessert und den Nutzen für alle Bezugsgruppen steigert." (VOGT, G. G. 1999, S. 187).

Einige aktuelle Beispiele von Unternehmen, die Merkmale eines virtuellen Unternehmens aufweisen nach ZMIJA (ZMIJA, M. 2002: Virtuelle Unternehmen, http://www.zmija.de/virtuelle_unternehmen.htm, letzter Abruf: 21.03.2011):

- Rosenbluth International (eine der größten US-amerikanischen Reiseagenturen)
- LewisGaloob Toys (US-amerikanische Hersteller von Spielwaren)
- White Lion International GmbH (Werbeagentur)
- TelePad Corp. (Software)
- Rauser Advertainment (Computerspiele)
- Newplan Personalberatung und -vermittlung GmbH
- EuroPart EWIV (Unternehmensberater)
- Walden Paddlers (Herstellung von Kajakbooten aus recyceltem Kunststoff)
- Virtuelle Fabrik Euregio Bodensee (Generalunternehmung)

1 Kommentar:

  1. Geht etwas über dieses Thema hinaus, passt aber trotzdem ;):

    „Der Mensch ist von Natur aus gut – wenn er seine Potentiale voll entfalten kann“ (Lebensunternehmer eG o.J.: „Der Mensch ist von Natur aus gut – wenn er seine Potentiale voll entfalten kann!“, http://www.lebensunternehmer.org/, letzter Abruf 22.03.2011). Wenn jeder Mensch seine Potenziale entfalten kann und somit zu einem "guten" Mensch wird, dann würde dieses die Welt sicherlich etwas besser machen...

    Hierzu auch ein empfehlenswerter Film zum Thema "Lebensunternehmer":
    BARTELT, M.-A. 2010: Lebensunternehmer - Faire Unternehmer: Was heißt das für uns?, http://www.youtube.com/watch?v=UrAgYps6JXw, letzter Abruf: 22.03.2011.

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