Hacker - eine Praxis des Störens?

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Aus den angeführten Darstellungen lässt sich zunächst ableiten, dass Hacker Technik-begeisterte Menschen sind, die Technologien entgegen ihres ursprünglichen Verwendungszwecks für sich zu nutzen wissen. Das englische Verb „to hack“ wird mit „zerhacken“, „einhauen“ oder auch „auseinandernehmen“ übersetzt. Gemeint sind damit ursprünglich Personen, die technische Geräte oder Software auf ihre Funktionalität und deren Nutzungsmöglichkeiten untersuchen, was jedoch nicht zwangsläufig zu deren Unbrauchbarkeit führt. Nachweislich gibt es verschiedene Beweggründe für das Hacken von Technologien welche sich auf vier verschiedene Typen übertragen lassen:
Cracker sind Personen, die den Sicherheitsmechanismus von Programmen oder Dateien umgehen, um diese selbst kostenlos zu nutzen oder anderen zur Verfügung zu stellen. Dazu zählt auch das Entwenden von nicht für die Öffentlichkeit vorgesehenen Dokumenten. Crasher wiederum haben das Ziel, Computersysteme zu knacken und zu zerstören. Die Skriptkiddies sind Trittbrettfahrer, die bereits bekannte Sicherheitslöcher nutzen, um aus Spaß und dem Reiz am Illegalen in fremde Systeme eindringen. Der Hacker wiederum will Technologie, Abläufe und Systemschwächen verstehen. Vorbildliche Hacker dokumentieren ihr Wissen und stellen es Herstellern oder Administratoren von Programmen und Computer-Netzen zur Verfügung.
Trotz dieser Differenzierungen wird mit dem Wort Hacker im allgemeinen ein Bild von einem Menschen assoziiert, der sich in Computersysteme einschleicht, Daten klaut, Programme manipuliert oder Ablaufe stört.

Hacker werden erst im Kontext negativer Auswirkungen auf technische, politische oder wirtschaftliche Grundlagen als Problem wahrgenommen. Es gibt eine Bandbreite von Motivationen für das Hacken, die vom Spaß an der technischen Herausforderung über Nervenkitzel, der kostenfreien Nutzung von Programmen bis hin zu ideologischen Hintergründen reichen. Als Gemeinsamkeit dieser unterschiedlichen Typen lässt sich die Forderung nach uneingeschränktem Zugang auf alle im Netz vorhandenen Ressourcen feststellen. Die Forderungen nach freien Informationen und Zugängen zu allen Netzen stehen beispielsweise an oberster Stelle der Hacker-Ethik des Chaos-Computer-Clubs. Die Regeln des in den 80er Jahren in Berlin gegründeten Clubs basieren wiederum auf den Buch „Hackers: Heroes of the Computer Revolution“ des amerikanischen Redakteur und Schriftstellers Steven Levy von 1984. Dabei handelt es sich um die dokumentierten Eindrücke aus der frühen amerikanischen Hacker-Szene MIT. Dass das Internet sich gesetzlich als unabhängiger Raum frei entwickeln soll, wurde auch 1996 von dem amerikanischen Sänger der Band Greateful Dead, John Perry Barlow, in seiner „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“ gefordert. Vor diesem Hintergrund haben sich Plattformen wie Cryptom oder Wikileaks gebildet, die sich um die Veröffentlichung aller der Öffentlichkeit vorenthaltenden geheimen staatlichen Dokumente bemühen.

Der Soziologe Roland Girtler vergleicht Hacker in seinem Aufsatz „Die Randkultur der Hacker - Rebellen, Spione und Diebe“, mit den Freibeutern der Meere. Die rebellischen Aktionen der Hacker richten sich laut Girtler, auch wenn sie alle Netzteilnehmer betreffen können, in erster Linie gegen die Obrigkeiten und Gesetzgeber. Weiterhin weisen Hacker laut Girtler eine Ähnlichkeit mit Robin Hood auf, da sie die Reichen berauben und es unter den Armen verteilen. Unter diesem Aspekt verstehen sich auch die Initiatoren des Chaos-Computer-Club, deren Hacker-Ethik einem Ehren-Kodex gleichkommt.

Das französische Autorenteam Tiqqun spricht in dem Buch „Kybernetik und Revolte“ bezüglich der Hacker-Kultur von der „Praxis des Störens“ und der „Praxis der Beschaffung“. Die Angriffe auf Computernetze von Seiten der Hacker-Szene lassen sich laut Tiqqun als Kampf gegen den kybernetischen Kapitalismus und dessen drohende Vereinnahmung des Internets interpretieren. Seine Ausführungen implizieren einen Vergleich mit den Sabotageakten der nach dem Anführer Ludd benannten Aufständen der Ludditen Anfang des 19 Jahrhunderts. Genauso wenig wie die Hacker den Zusammenbruch des gesamten Internets initiieren verfolgten die Ludditen das Ziel der endgültigen Zerstörung der Maschinen. Laut Tiqqun ging es vielmehr darum die eigenen Arbeitsplätze durch die bewusste Verlangsamung von Produktion- und Transportprozessen dem Beschleunigungsprinzip des kapitalistischen Systems entgegenzuwirken.

Beide Ausführungen lassen auch die Möglichkeit rein politische Motivationen bei Teilen der Hacker-Szene zu. Der Kampf der Hacker richtet sich somit jedoch nicht gegen das System (die Computervernetzung) an sich, sondern gegen die Übertragung politischer und gesellschaftlicher Zustände der realen auf die digitale Welt. In der Entstehungsphase des Internet gab es Gegner, die sich gegen die grundsätzliche Entstehung dessen wendeten. Beispielsweise wurde der amerikanische Mathematiker Ted Kaczinski (bekannt als Unabomba) wegen mehreren Bombenanschlägen, die er zwischen 1975 und 1995 auf Manager von Fluggesellschaften und Wissenschaftler verübt haben soll, verklagt. Mit seinen Anschlägen und dem begleiteten Manifest des Unabombers versuchte er unter anderem, die zunehmende Vernetzung der Menschheit aufzuhalten.

Entgegen dieser Haltungen erkennen Hacker das Internet als eigenen Raum an und können als die Hobby-Bastler, Aussteiger, Eigenbrötler, Dealer, Einbrecher oder Untergrundkämpfer (…) einer parallel existierenden digitalen Welt angesehen werden.

Literatur:

Dammbeck, Lutz: Das Netz - Die Konstruktion des Unabombers. Edition Nautilus, Hamburg 2005

Girtler, Roland: Die Randkultur der Hacker – Freibeuter auf dem Meer des Internet. Vortrag im Rahmen des 10. Österreichischen Online-Informationstreffens. Salzburg 2003

Levy, Steven: Hackers: Heroes of the Computer Revolution. Penguin Books, New York 1984

Tiqqun: Kybernetik und Revolte. Diaphanes. Zürich-Berlin 2007


Links:


Chaos Computer Club:

Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace:

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