Kybernetik

Kybernetik, (aus gr. kybernetike techne, Steuermannskunst) bezeichnet die Wissenschaft der Steuerung und Regelung von Systemen, oder auch die Kunst der Steuerung in natürlichen und technischen Systemen.
Mit abstrakten Prinzipien wie Selbstorganisation durch Rückkopplung und Kontrolle können in der K potenziell alle Systeme gesteuert werden.
Die üblichen Beispiele zur Illustration der zentralen Prinzipien sind die Schifffahrt und das Thermostat. Voraussetzung ist ein Kapitän, der ein Ziel setzt(oder eine Temperatur festlegt), ein Lotse (oder ein Thermostat) , der Kommandos an den Steuermann gibt, der widerum auf die zu regelnde Größe (Richtung oder Temperatur) einwirkt, die Auswirkung wird über einen Meßfühler (Fernrohr oder Thermometer) kontrolliert.
Bis heute hat sich die K unter anderm in Informationstheorie, Kontrolltheorie, Konnektionismus, Spieltheorie, Entscheidungstheorie, Theorie Dynamischer Systeme und Organisationstheorie (vgl Bach 2010: 1369) ausdifferenziert. Andere Stränge untersuchen mehr die Struktur und Selbstorganisation von Systemen.

In der Geschichte der K weitete man die in sie gestetzten Erwartungen über die Regelungen von Temperatur oder Richtungen auf die Regelung der "Temperatur" oder "Richtung" des einzelnen Menschen bis zu ganzen sozialen Systemen aus.
Techink wurde zum metatheorietischen Paradigma, die K zur fachübergreifenden Wissenschaft, aus der sich alle anderen Wissenschaften begründen. Der Mensch unterscheidet sich darin nicht qualitativ von Maschinen, er ist nurmehr ein sehr komplexes System. Mit der von Lévi-Strauss als "Mathematik vom Menschen" bezeichneten Wissenschaft sollte das Ziel einer technischen Existenz wirklich werden.

Als wichtigster Gründer der K gilt Norbert Wiener (geb. 1894) , Philosoph, Biologe und Mathematiker, der 1948 mit seiner Veröffentlichung "Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine" schon existierende Strömungen zu einer neuen Wissenschaft zusammen führte.
Auch in Deutschland interessierte man sich vor allem in den Kriegsjahren für umfassende Steuerungsprozesse, denn "mit dem Ingenium der Technik sollten deutscher Geist, Kultur und Bildungsanstalten betriebsbereit betriebsbereit gemacht werden für den deutschen Endsieg und die vollständige Herrschaft über Europa." (Hörl; Hagener:50)
In den Nachkriegsjahren, besonders von 1950- ca.75, wurde die K dann zum großen Hoffungsträger, die es vollbrignen sollte, die zerklüftete Wissenschaftslandschaft wieder unter einer übergreifenden Struktur zu vereinen. Sie sollte die von C.P.Snow im Jahre 1959 konstatierten zwei Kulturen (Vortrag: "The two Cultures") der Natur- und Geisteswissenschaften wieder zusammenführen.
Von großer Bedeutung für die K waren auch die von 1946-53 stattfindenden Macy-Konferenzen, bei denen Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen (wie Mathematik, Physik, Psychologie, Neurophysiologie, Soziologie) zusammenkamen, um über die neuen Cybernetics zu sprechen.
Themenschwerpunkte waren: Gedächtnis und Sprache, Kommunikation, Lernen und Wahrnehmen.

Die K bediente damit Bedürfnisse nach einer Erneuerung des Wissensystems, das auf der einen Seite eine auch den Alltag schon erheblich beeinflussende Ausdifferenzierung technischer Möglichekeiten hervorgebracht hatte. Gleichzeitig war man ob der moralischen Skrupellosigkeit der Akteure in den technischen Wissenschaften erschrocken. Dem gegenüber standen Geisteswissenschaftler, deren Theorien von ausgerpägtem Desinteresse an technischen Möglichkeiten und Beeinflussungen zeugten (vgl. Hörl; Hagener: 54).
Die in Aussicht stehende technizistische Durchdringung aller dem menschlichen Leben zugrundeliegender Prozesse, die umfassende Regelung des Lebens schien in den Nachkriegsjahren als zentrales Thema.

Die Zukunft der Menschheit war im Denken der Kybernetiker abhängig von der Denkfähigkeit von Maschinen. Noch 1969 schieb Felix von Cube: "Mit der Kybernetik ist es dem Menschen gelungen, auch geistige Arbeit den Maschinen zu übertragen. Das bedeutet schließlich, daß der Mensch nur noch Ziele zu setzten brauch - erreicht werden sie automatisch." (Cube: 7)
Diese Veränderung in der Stellung des Menschen, dem das Denken nicht mehr vorbehalten ist, löste nach Hörl und Hagener eine anthropologische Veschiebung aus, von der aus sich, trotz der Enttäuschungen durch die K, bis heute prägende Wissenslandschaften entworfen haben.

Nach dem Abklingen der kybernetischen Euphorie der Nachkriegszeit entstand in den 70ern die Kybernetik 2. Ordnung, oder neue Kybernetik. Diese schließt die K erster Ordnung mit ein in das System des Verstehens, dass sie erklären will. Die K 2ter Ordnung war prägend für die Enstehung der Systemtheorie N.Luhmanns wie auch des Konstruktivismus.
Heinz von Förster versucht mit "Understanding Understanding" den Beobachter eines Systems zu verstehen und ist sich dabei seiner eigenen Beobachterposition bewusst.
Verstehen spiele sich als zirkulärer Prozess ab, Sinnbildlich dafür steht der Ouroboros, die Schlange, die sich selbst in den Schwanz beisst.
Der Kapitän, der das Unternehmen zu Anfang noch ungefragt leitete, das System steuerte, wird nun als selbst zum System, das, ja von wem eigentlich? gesteuert wird.

Gemäß ihrem Anspruch hat die K in zahlreichen Wissenschaften Einfluss genommen, von der politischen Kybernetik, über die Sozialpsychologie, Psychologie, Soziologie, Biologie, Informatik, Mathematik bis zu den Wirtschaftswissenschaften, wo immer noch reges Interesse an ihr besteht. Zudem sind die Kognigtionswissenschaften und die KI Forschung direkt aus ihr entstanden.


Hörl, Erich; Hagener, Michael 2008: Die Transformation des Humanen. Beiträge zur Kulturgeschichte der Kybernetik. Berlin: Suhrkamp

Cube, Felix von 1970: Technik des Lebendigen.Stuttgart: Deutsche Verlanganstalt

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