Bis dass der Tod euch scheidet?!

Die Ausbreitung des Internets hat nicht nur eine stärkere Vernetzung der Menschen untereinander zur Folge sondern bringt auch eine Veränderung der Wahrnehmung von Privatem und Öffentlichem mit sich (siehe Blogeintrag „Privat/ Öffentlich“). Nutzer so genannter „Social Media“ verewigen sich bei Facebook, StudiVZ, MySpace oder als Avatar auf Online-Rollenspiel-Portalen und präsentieren sich und ihr Leben in schillernden Farben. Was passiert jedoch wenn die Person im „echten Leben“ verstirbt?

Die soziale Plattform „Facebook“ löschte bis ins Jahr 2007 schlichtweg alle Accounts verstorbener Nutzer, bis nach einem Amoklauf Angehörige der Opfer darum baten, die Seiten als Andenken zu erhalten. Seitdem ist es auf Anfrage von Angehörigen möglich, die Profile Verstorbener in einen „memorialization-Status“ zu versetzen. Kontaktdaten und persönliche Informationen sind dann nicht mehr sichtbar, Freunde des Verstorbenen können jedoch weiterhin Fotoalben anschauen und Nachrichten an der Pinnwand hinterlassen[1].

Noch einen Schritt weiter gehen andere Angehörige. Der kürzlich erschienene Bericht der TAZ „Online nach dem Tod“, berichtet über die Mutter eines verstorbenen Mädchens, der von ihrer Tochter ein kleiner Zettel mit all ihren Internet – Passwörtern hinterlassen wurde. Seitdem loggt sich die Mutter regelmäßig über den Account ihrer Tochter bei SchülerVZ ein und ist dort sogar einer Trauergruppe zu Ehren ihrer Tochter beigetreten.

Trauerberater Thomas Multhaup warnt in dem Artikel vor solchem Verhalten: "Wenn im Netz eine Art von Scheinwirklichkeit und Scheinleben aufrechterhalten wird, tut man sich damit auf Dauer keinen Gefallen. Niemand wird digital unsterblich.[2]"

Doch wie es aussieht trifft das nicht in jedem Fall zu. Die Autorin berichtet weiter über eine junge Frau, die nach dem Tod der Schwester Lisa, den Betreiber des Netzwerks StudiVZ vergeblich bittet Lisas Account zu löschen. Trotz mehrmaligem Bitten kann sie nicht verhindern, dass 39 Tage vor Lisas Geburtstag eine „Geburtstagserinnerung“ mit Foto auf ihrer Startseite erscheint, obwohl die Schwester bereits seit zwei Jahren tot ist[3].

Um solch langwierige Bemühungen und Prozesse Hinterbliebener mit den Social Media Plattformen zu vermeiden, bieten amerikanische Anbieter bereits seit längerer Zeit ihren Kunden „virtuelle Grabpflege[4] an. Unternehmen wie „Deathswitch“ oder „Legacy Locker“ regeln den digitalen Nachlass und bieten gegen Geld unterschiedliche Services, etwa das Versenden von Daten an Angehörige nach Vorlage der Sterbeurkunde an[5].

Auch in Deutschland gibt es seit 2009 das Berliner Start-Up Unternehmen „Indivus“, das sich mit der Verwaltung des digitalen Nachlasses beschäftigt. Bei indivus trägt der Nutzer all seine Konten und Profile ein und hält fest was damit nach seinem Tod damit geschehen soll und wer gegebenenfalls die Zugriffsrechte erhalten soll. Laut dem indivus-Team ist ein grundlegendes Problem solcher Unternehmen die Ansprache der Zielgruppe. Zwar ist „jeder Internetnutzer auch Teil der Zielgruppe, doch die Menschen beschäftigen sich nur ungerne [sic!] mit dem eigenen Tod[6]

Zukünftig soll indivus über Kooperationen mit sozialen Netzwerken vermarktet werden, die entsprechende Formulare schon direkt bei der Anmeldung schalten sollen[7].

So befremdlich es auf den ersten Blick erscheinen mag, sich beim Registrieren auf einer Seite auf der man Partyfotos veröffentlichen oder die Liebe seines Lebens finden möchte, mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen, um so mehr drängt sich auch der Gedanke auf, dass Diensten wie indivus in Zukunft eine wichtige Funktion zukommen wird. Schließlich ist Social Media vor allem bei jungen Menschen populär, sodass die Menge an Accounts deren Besitzer versterben zur Zeit (glücklicherweise) noch recht gering sein dürfte. Was passiert allerdings mit der unglaublichen Datenflut, wenn in 40 bis 60 Jahren immer mehr Accounts altersbedingt herrenlos werden? Ich jedenfalls finde die Vorstellung beruhigender, mich selber im Vorfeld um den Verbleib meiner Daten kümmern zu können, als den Gedanken jemand könne nach meinem Tod unter meinem Namen Urlaubsbilder bei Facebook kommentieren. Aber vielleicht reicht mir zur posthumen Datensicherung dann auch ein realer Briefumschlag inklusive einer Liste meiner Accounts und Passwörter…



[1] Vgl. Hortobagyi, Monica (2007): Slain students' pages to stay on Facebook. USA TODAY. Online verfügbar unter http://www.usatoday.com/news/nation/2007-05-08-facebook-vatech_N.htm, zuletzt geprüft am 06.03.2011.

[2] Schwarzmaier, Nicola (2011): Online nach dem Tod. In: TAZ, 26.02.2011. Online verfügbar unter http://www.taz.de/1/netz/netzkultur/artikel/1/online-nach-dem-tod/, zuletzt geprüft am 06.03.2011.

[3] Vgl. ebd.

[4] Schwan, Ben (2009): Passwörter aus dem Jenseits. In: TAZ, 21.08.2009. Online verfügbar unter http://www.taz.de/1/netz/artikel/1/aus-die-maus-2/, zuletzt geprüft am 06.03.2011.

[5] Vgl. ebd.

[6] Riechers, Kersten A. (2009): Facebooks Formular für Verblichene. Online-Identitäten nach dem Tod. GründerSzene. Das Magazin für Gründer. Online verfügbar unter http://www.gruenderszene.de/allgemein/facebooks-formular-fur-verblichene-online-identitaten-nach-dem-tod, zuletzt geprüft am 06.03.2011.

[7] Vgl. ebd.

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