Serendipitätsprinzip


Wer suchet der findet, heißt es im Manifest des Christentums. So einfach ist es in der Realität jedoch häufig nicht. Oft will sich genau das, wonach es einen am stärksten bestrebt nicht offenbaren. Versteift auf die Suche nach dem gewissen Etwas ist die Wahrnehmung beschränkt und der Geist verbissen. Gelegentlich jedoch kann es abseits der Regellösung zur Absolution durch abweichende Entwicklungen kommen. Eine Parallelwelt tut sich auf, der Geist wird befreit, Befriedigung trotz nicht Erreichens des Ziels tritt ein. Was ist passiert? Das Serendipitätsprinzip ist in Kraft getreten.
Serendipität, das ist, wenn man durch reinen Zufall auf etwas Großes stößt, während man eigentlich auf der Suche nach Anderem war. Zurückzuführen ist der Begriff auf eine Legende von drei Prinzen, welche durch das Lesen von Spuren im Sand Auskunft über das verursachende Tier, ein entlaufendes Kamel, geben konnten. Die zufällige Entdeckung verbunden mit der richtigen Interpretation der Spuren führte in diesem Falle jedoch zu einer Diebstahlsbezichtigung. Anders als in diesem persischen Märchen der drei Prinzen von „Serendip“ beinhaltet der heutige Begriff Serendipität aber einen glücklichen Ausgang.

Hypertext ist der große Verführer informationsaffiner Seelen im World Wide Web. Endlose Irrwege lassen den User in eine Welt gelangen, die gespickt von Zeitlöchern zu sein scheint. Denn oftmals wird am nächsten Tag, welcher mit geröteten Augen und erschöpftem Geist eröffnet wird, eines deutlich. Die vollbrachte Leistung der letzten Nacht, das Sammeln von Informationen durch stundenlanges Surfen, Scannen und Klicken in gefühlten Datenmengen von Hochleistungsservern lässt sich erschreckend schnell auf die Erkenntnisessenz in Größe einer Floppydisk zusammenfassen. Die Symptome sind in diesem Fall eindeutig: Flauer Magen, graues Gesicht, matschige Gesamterscheinung – ein klarer Fall von Lost in Hyperspace. Warum also malträtieren diese speziellen User freiwillig Körper und Geist, was ist der Anreiz für dieses suchtgesteuerte Verhalten? Am Ende steht hier die Erkenntnis, derer nicht zu widerstehen ist. Das Serendipitätsprinzip lockt durch kleinere und größere Entdeckungen und „teasert“ den Drang nach Erleuchtung.

Bewerten lässt sich jedoch schwer, bei welchem Phänomen, welcher Entdeckung oder Fährte der Begriff Serendipität zulässig angewendet werden kann. Welche Instanz könnte das bewerten? Letztlich handelt es sich wohl um eine Glaubensfrage. Der User legitimiert sein nächtliches Treiben damit, sich dem Serendipitätsprinzip zu hinzugeben. Die Offenbarung wartet irgendwo in den sakralen Sphären der Datenautobahnen. Oder eben nicht. In diesem Fall bleibt nur ein nüchternes Eingeständnis: Es handelt sich um das Nachlässige-Verschwendung-von-Lebenszeit-Prinzip.

Barbara S.


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